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Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Titel: Der Junge, der mit den Piranhas schwamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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„Freaks“.
    Dostojewski parkt den Wohnwagen. Sie wandern über das Feld. Von überall aus der Dunkelheit rufen Stimmen ihre Namen.
    „Da sind ja Dostojewski und Nitascha! Wie geht’s, wie läuft das Geschäft?“
    Und Dostojewski winkt und erwidert die Begrüßungen, und manchmal legt er seinen Arm um Stans Schulter und ruft: „Das is mein neuer Jung! Er heißt Stan! Ein feiner Bursche!“
    Und die Stimmen rufen: „Hallo, Stan! Willkommen auf dem Jahrmarkt!“
    Sie gehen an Fiedlern vorbei und an Schlangenbeschwörern und an drei Jungen, die eine Leiter bilden: Zwei stehen jeweils auf den Schultern des anderen. Sie setzen sich an ein helles Feuer, um das sich ein Ring von Menschen gebildet hat. Ihre Gesichter leuchten im Flammenschein. Ein Mann beugt sich vor und greift mit einer großen Zange in das Feuer. Er holt etwas heraus und hält es Stan hin, ein schwarzes, rundes, rauchendes Ding. „Nimm’s“, sagt er mit rauer Stimme. „Is für dich. Mach schon, Junge.“
    Stan starrt auf das Ding und rührt sich nicht.
    Der Mann lacht. „ Mach schon“, sagt er noch einmal.
    „ Mach schon!“, sagt Dostojewski.
    Nervös streckt Stan die Hand aus und nimmt das Ding. Es ist hart, schwarz und glühend heiß. Er keucht auf, lässt es fallen und hebt es wieder auf. Die Leute am Feuer lachen.
    „Wirf es in die Luft und fang’s wieder auf“, weist ihn Dostojewski an. „Dann kühlt’s ab.“
    Und so wirft Stan das Ding von einer Hand in die andere und rollt es in einer Hand hin und her.
    „Jetzt brich es auf“, sagt der Mann.
    Stan drückt mit dem Daumen. Das Ding ist immer noch irre heiß, er kann es kaum halten. Aber er drückt weiter und dann geht es auf. Ein Teil der schwarzen Kruste bröckelt ab und Stan erblickt ein herrliches weißes Inneres. In den Dampf mischt sich jetzt ein köstlicher Duft.
    „Eine Kartoffel!“ , flüstert er.
    „Richtig“, sagt der Mann. „’ne Knolle.“
    Stan hebt sie an den Mund und knabbert daran, schmeckt die weiche, cremige Rauchigkeit. Er betrachtet die Gesichter rings um das Feuer, sie grinsen ihn an. Er isst weiter. Es ist das Beste, was er je gekostet hat. Dostojewski lacht und legt den Arm um ihn. Stan seufzt und isst und fängt an, sich zu entspannen. Er merkt, dass er lächelt. Er schaut Nitascha an und auch sie scheint glücklicher zu sein – und ein bisschen hübscher.

    Sie sitzen lange am Feuer. Sie essen Kartoffeln. Jemand drückt Stan einen Zinnbecher mit Tee in die Hand.
    „Woher kommst du?“, fragt der Mann auf der anderen Seite des Feuers.
    „Aus der Fischzuchtgasse“, sag Stan.
    „Aus der Stadt, wo wir gestern war’n“, erklärt Dostojewski. „Sie ham’s da nich leicht gehabt. Die Werft hat dichtgemacht und die Männer ham keine Arbeit und lauter so’n Zeug.“
    „Brauchst mal ’nen Tapetenwechsel, was?“, fragt der Mann.
    „Ganz recht“, antwortet Dostojewski an Stans Stelle.
    „Nun, dann bist du hier genau richtig, Stan“, sagt eine Frau, deren Halsketten und Armreifen im flackernden Feuerschein glitzern. „Hier bist du unter Freunden.“
    Irgendwo auf dem Feld singt eine Frau ein wunderschönes Lied in einer fremden Sprache. Dostojewski unterhält sich mit den anderen am Feuer. Sie reden über die Jahrmärkte, die sie kennen, und über die Jahrmärkte aus Mythen und Legenden. Jemand holt einen Kasten Bier. Während sie trinken, sprechen die Leute über Illusionisten und Entfesselungskünstler, über Ziegen mit zwei Köpfen und über Magier, die mit den Toten reden können. Sie sprechen in fremden Sprachen über Orte und Länder am anderen Ende der Welt. Stan hört zu und verliert sich in den Stimmen, die zucken und tanzen wie die Flammen. Er verliert sich in den Geschichten, die wie verzerrte Schatten durch die Luft wandern. Nach einer Weile erhebt sich ein mächtiger Vollmond über dem Feld und badet Land und Leute in sein geheimnisvolles silbriges Licht.
    „Man sagt, Pancho Pirelli werde kommen“, sagt eine der Stimmen.
    „Pirelli? Ich dachte, er sei in Madagaskar oder Sansibar.“
    „Ich dachte, er sei tot.“
    „Man hört, er sei auf der Straße gesehen worden, irgendwo im Norden.“
    „Pancho? Unterwegs hierher? Das ist doch bloß ein Gerücht!“
    „Der ganze Mann ist doch bloß ein Gerücht! Was man sich alles über ihn erzählt! Pah!“
    „Du wirst es schon sehen, wenn er herkommt.“
    „Da gibt’s nichts zu sehen. Er ist ein Schauspieler, ein Schwindler!“
    „Nein, das stimmt nicht. Er ist einer der

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