Der Junge, der mit den Piranhas schwamm
Stan.
„Herr Pirelli?“, sagt Stan.
„Ja, Stan?“
„Vielleicht sollten Sie mich hineinwerfen, wie Pedro es mit Ihnen gemacht hat.“
„Schau dir die Zähne an“, sagt Pirelli.
„Das tue ich“, sagt Stan.
„Denk an das Huhn. Und an das Salamibrot. Und an die Frage: Ist heute mein Schicksalstag?“
„Ich denke an alles. Auch an den Schuh. Aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass es mir gelingen wird. Vielleicht ist Pedros Art der Ausbildung die einzig richtige.“ Stan blickt zu den Zuschauern. „Das wird meine erste Vorstellung sein. Ich werde so tun, als würde ich mich fürchten.“
Pancho Pirelli strahlt vor Freude. „Du bist wahrhaftig ein echter Artist. Du bist ein Künstler.“
Stan strahlt Pancho an. Zu seiner Verblüffung muss er zugeben, dass er sich wirklich wie ein Künstler fühlt. Was um alles in der Welt würden Annie und Ernie davon halten?
„Das ist der letzte Beweis“, sagt Pancho.
„Der letzte Beweis wofür?“
„Dass du tatsächlich der nächste Pancho Pirelli bist. Du musst nicht ausgebildet werden. ‚Wirf mich ins Becken!‘ – Das sind die Worte eines wahren Piranha-Schwimmers! Bist du bereit?“
Stan strafft die Schultern. „Ja“, sagt er.
„Ich tue das nur, weil ich mir so gut wie sicher bin, dass dir nichts passiert, weißt du?“
„Ich weiß, Herr Pirelli.“
Pancho wendet sich den Zuschauern zu. „Meine Freunde!“, ruft er, „dieser Augenblick wird in die Geschichte eingehen! Darf ich Ihnen den großartigen und wunderbaren Stanley Potts vorstellen. Dieser Junge hat eine Verabredung mit dem Schicksal! Kommen Sie näher! Erleben Sie mit, wie er in das Becken mit den Piranhas steigt! Sehen Sie zu, wie er dem Tod ins Auge blickt! Wie er tanzt!“
Die Zuschauer rücken näher.
„Aber das ist doch bloß ein kleiner Junge!“, ruft jemand.
„Ich war auch einmal ein kleiner Junge“, gibt Pancho zurück. „Wie wir alle.“
„Ich nicht!“, brüllt die Frau mit den Dracula-Zähnen.
„Und ich war ein kleiner Frischling!“, knurrt der Ebermann.
Pancho achtet nicht auf sie. Er nimmt Stan am Arm und führt ihn zum Becken. „Bist du sicher?“, murmelt er.
Stan holt tief Luft. „Ja, Herr Pirelli“, sagt er. „Ja.“
Er tut so, als würde er sich gegen den Griff wehren.
„Das ist grausam!“, ertönt eine Stimme. „Der Junge wird aufgefressen werden!“
Die Menge kommt immer näher.
„Schnell, Stan!“, flüstert Pirelli. Er wirft sich Stan über die Schulter und fängt an, die Leiter hinaufzusteigen.
„Jemand muss ihn aufhalten!“, schreit ein Mann.
„Ich kann gar nicht hinsehen!“
„Das ist doch Wahnsinn!“
„Das ist kriminell!“
„Das ist Mord!“
„ STOPP !“, schreit Stan. „ SETZEN SIE MICH AB , HERR PIRELLI !“
Pancho bleibt stehen und lässt Stan herunter. Stan steigt die restlichen Stufen alleine hoch. Alleine steht er ganz oben auf der letzten Stufe.
„Es ist alles in Ordnung, meine Freunde!“, ruft er. „Ich werde nicht aufgefressen! Ich bin Stanley Potts!“
„ NEIN !“, schreit Nitascha.
„Mach keine Dummheiten, Junge!“, ruft die Frau mit den Dracula-Zähnen.
„ NEIN , STAN !“, brüllt Dostojewski. „ DU SOLLTEST DOCH HEUTE ERST MAL ÜBEN !!!“
Stan hebt die Hand, um die Stimmen zum Schweigen zu bringen. Er fühlt sich stolz und stark. Er setzt die Taucherbrille auf.
„Ich werde nicht sterben!“, ruft er. Er starrt in das Becken. Er sieht die wartenden Piranhas, die ihn ihrerseits anstarren. Blitzt da etwa Hunger in ihren Augen auf?“
„ NEIIIIIN !“, schreit Dostojewski.
Stan holt tief Luft. Er steht am Rand des Beckens.
„Lebt wohl, meine Freunde!“, ruft er.
Dostojewski stürzt an Pirelli vorbei, der am Fuß der Leiter steht, stürmt die Leiter hinauf und greift nach Stan. Zu spät. Als Dostojewski den Arm nach ihm ausstreckt, macht Stan einen Schritt zur Seite. Er fällt. Und dann ist er drin.
Siebenunddreißig
An diesem Punkt könnten wir uns auf eine andere Reise zu einem anderen Teil der Geschichte begeben. Wir könnten uns vom Jahrmarkt in die Lüfte erheben und nachsehen, wie es Annie und Ernie geht und ob sie auf der Straße vorankommen. Wir könnten nach unten schauen und den klapprigen DOOF -Lieferwagen beobachten und die verrückten Männer darin. Wir könnten sogar noch weiter fliegen, bis nach Sibirien, und schauen, ob wir Frau Dostojewski und ihre Ballerinen finden. Gibt es eine Möglichkeit, sie zurück zu ihrer einsamen Nitascha zu bringen? Wir könnten
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