Der Junge, der sich in Luft auflöste
mit dem Riesenrad hinauf. Aber er kam nicht wieder runter.«
Christy blickte uns mit nur einem hochgezogenen Mundwinkel an, während der andere nach unten zeigte. Seine Nase zog sich zusammen, seine Augenbrauen wurden zu einer einzigen Linie. »Verrückte Blagen!«, sagte er, ohne uns jedochdabei anzusehen. Seine Augen schauten nach oben, als würden wir irgendwo über ihm durch die Luft schweben.
»Wir sind nicht verrückt«, protestierte Kat.
Er senkte den Blick wieder und setzte ein seltsames Lächeln auf. »Dieser Cousin von euch ⦠Er fuhr mit dem Riesenrad rauf und kam nicht wieder runter, sagt ihr?«
»Ja.«
»Kinder lösen sich nicht einfach so in Luft auf.«
Kat seufzte. »Dasselbe hat die Polizei auch gesagt.«
Der Blick des Fremden wanderte von Kats Gesicht zu meinem.
»Die Sache ist ernst«, erklärte Kat. »Die Polizei sucht ihn. Und nun ist es überall im Fernsehen gelaufen.«
»Ich weià nichts darüber. Hab ich euch vorhin doch schon gesagt.«
»Haben Sie wirklich bloà ein Ticket gekauft ⦠und sich dann entschieden, es nicht zu benutzen?«
Er blickte sich um und wich ein paar Schritte zurück. »Ganz so war es nicht«, sagte er. Ein vollbesetzter Bus hatte an der nahe gelegenen Bushaltestelle gehalten. Eine Frau mit einer Kinderkarre versuchte verzweifelt einzusteigen. Der Fahrer starrte sie mit heruntergezogenen Mundwinkeln an. Der fremde Mann warf einen Blick auf den Bus, dann schaute er zu uns.
»Die Schnecke warâs«, sagte er, seine Worte wurden schneller. Der Motor des Busses heulte auf. Die Räder der Kinderkarre drehten durch, als die Frau sie schwankend in den Bus hievte. Meine Hand schlackerte.
»Diese Schnecke in der Schlange. Von der hab ich das Ticket bekommen.«
»Eine Schnecke?«, fragte ich und dachte an zerfressene Salatblätter im Garten.
»Eine schwarzhaarige Tussi. Ich kannte sie nicht. Ich ging gerade dort vorbei. Sie rief mich herüber und erzählte, dass ihr Freund nicht aufgetaucht sei und dass sie sein Ticket nicht verfallen lassen wollte, aber aus der Schlange raus wollte sie auch nicht. Also hat sie mich gebeten, zu euch zu gehen und euch die Karte zu geben.«
»Wieso uns?«, fragte Kat.
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Weià nich. Weil ihr Kinder wart und ganz hinten in der Schlange standet, denk ich mal. Ihr habt ihr leidgetan.« Plötzlich sauste er zum Bus hinüber, gerade als der Fahrer der Türen schlieÃen wollte. »Mit ihr müsst ihr reden. Nicht mit mir. Wenn ihr sie findet.« Er stieà ein seltsames Lachen aus.
»Warten Sie!«, schrie Kat. »Bleiben Sie hier!«. Sie rannte ihm nach, aber der wütend aussehende Fahrer blickte sie kopfschüttelnd an und brüllte: »Voll besetzt!« Dann lieà er die Tür vor ihrer Nase zuschnappen.
Christy hob die Arme, die Handflächen nach auÃen gekehrt, und der Bus fuhr mit einem Ruck an, beschleunigte und jagte die HauptstraÃe hinunter.
»Verdammt!«, fluchte Kat.
»Hmpf!«, sagte ich.
»Halt die Klappe!«, brüllte sie.
Der Bus â und mit ihm der fremde Mann â verschwand unter einer Brücke. Kat ballte die Fäuste und trommelte auf ihre Hüften, wie ein Boxer, der gegen sich selbst kämpft. Dann kickte sie eine Coladose, die auf dem Gehweg lag, in den Rinnstein. »Die StraÃe ins Nichts«, schimpfte sie so laut, dass die vorbeieilenden Passanten uns anstarrten. »Alles bloà eine einzige Riesenzeitverschwendung.« Bei dem Wort »Zeit« lieà sie ihren Stiefel auf die Coladose niedersausen. »Eine StraÃe ins verdammte Nichts.« Der Stiefel stampfte auf und ab. Die Coladose wurde so flach wie ein Pfannkuchen. »Nichts.« Sie brach in Tränen aus. »Und wo gehtâs hier zur U-Bahn? Ich habâs verflucht noch mal vergessen!«
31
Ein Tornado schlägt zu
Irgendwie fand Kat den Weg zurück zur U-Bahn. Sie stapfte die HauptstraÃe entlang, während ich versuchte, mit ihr Schritt zu halten, und meine Hand schlackerte, und dann fragte sie einen Mann, der ein Geländer anstrich, nach dem Weg, und er zeigte mit dem Finger, und sie stapfte weiter und tat, als wäre ich gar nicht da, und ich heftete mich an ihre Fersen, bis wir an der U-Bahn waren.
Schweigend fuhren wir den ganzen weiten Weg zurück nach Hause. Dann liefen wir die HauptstraÃe entlang,
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