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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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versucht, ihn zu wecken. Sie kitzelt ihn unterm Kinn, aber er rührt sich nicht.
    »Ich hole ein Glas Wasser«, sagt Nanna und geht in die Küche.
    Sie öffnet den Schrank. Die alten weißen und blauen Tassen stehen ordentlich gestapelt in den Fächern. Daneben liegt ein kleiner Stoffbeutel. Nanna nimmt ihn und schnuppert. Mama, denkt sie. Der süßlich-würzige Duft von Tee. So roch es in ihrer Wohnung. Sie steckt den Beutel in die Tasche ihres Pullis, dann dreht sie den Wasserhahn auf und lässt das Wasser lange laufen, bevor sie das Glas füllt und damit zurückgeht.
    Zuerst reagiert Papa nicht, als sie ihm ein wenig Wasser in den Mund fließen lässt. Aber dann fängt er an zu husten, erst vorsichtig, dann kräftiger und kräftiger. Er rudert mit den Händen, dann steht er hastig auf und rennt in die Küche. Nanna hört, dass er sich übergibt, aber sie bringt es nicht über sich, zu ihm zu gehen. Fride tapst ihm nach, während Nanna sitzen bleibt.
    Nach einer Weile kommen Papa und Fride zurück. Er kneift die Augen zusammen und zittert. Nanna legt mehr Holz in den Kamin. Papa legt sich auf das Sofa und sie setzen sich zu ihm. Sein einer Fuß zittert und zuckt gegen Nannas Oberschenkel. Sie legt eine Hand auf seinen Fußrücken und reibt ihn vorsichtig. Der Kamin wärmt sie.
    »Wie geht es dir?«, fragt Nanna.
    »Besser«, flüstert Papa.
    »Gut. Wirkt die Medizin?«
    »Ja. Jetzt wirkt sie.«
    »Als mir schlecht war, war es genauso, nur umgekehrt«, sagt Fride. »Du darfst nicht aufstehen«, fährt sie streng fort.
    »Nein. Das darf ich nicht«, sagt Papa und lächelt.
    »Aber wo hast du dich angesteckt?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, es ist passiert, als ich die Belüftung reparieren wollte. Im Belüftungsschacht hatte sich etwas verfangen, das komisch gerochen hat. Als ich es wegschieben wollte, habe ich mich geschnitten.«
    »Wann wirst du wieder gesund? Wir brauchen Essen. Es ist fast nichts mehr da«, sagt Nanna.
    »Ja genau. Genau so ist es«, sagt Papa.
    »Was meinst du?«
    »Die Medizin, die ich genommen habe, war der Rest von damals, als ihr die Krankheit hattet, unmittelbar nachdem wir hierhergekommen waren. Wäre ich damals krank geworden … Ich weiß nicht, was dann aus uns geworden wäre«, sagt Papa und schüttelt matt den Kopf.
    »Aber wenn wir Medizin haben, wieso haben denn die anderen keine bekommen?«
    »Es gab nicht genug.«
    »Aber wir haben genug?«
    »Nein. Es sind nur noch ein paar Tabletten übrig und ich brauche mehr.«
    »Und woher sollen wir die bekommen?«
    »Das meinte ich eben«, sagt Papa und dieselbe hoffnungslose Traurigkeit legt sich über ihn. »Der einzige Ort, an dem es Medizin gibt, ist die Stadt.«
    »Ich kann in die Stadt gehen«, sagt Nanna.
    Papa nickt, als hätte er darauf gewartet, dass sie das sagt.
    »Ihr müsst zusammen gehen.«
    »Aber alleine bin ich schneller. Ich kann Fride nicht mitnehmen. Sie ist viel zu klein.«
    »Bin ich nicht«, sagt Fride.
    »Ja, aber …«, sagt Nanna.
    »Fride muss mitgehen. Es ist sicherer, wenn ihr zu zweit seid.«
    »Aber es wäre wirklich besser, wenn ich alleine gehen würde. Was ist, wenn wir nicht rechtzeitig zurückkommen?«
    »Du nimmst Fride mit. Ich habe genug Medizin, bis ihr wieder hier seid«, sagt Papa streng.
    »Wo finden wir die Tabletten?«
    »In unserer Wohnung.«
    »Und wie finden wir die Wohnung?«
    »Ich zeichne euch eine Karte und erkläre euch den Weg. Es ist nicht schwer zu finden. Aber jetzt muss ich mich ein bisschen ausruhen. Danach packen wir. Meine tüchtigen Mädchen«, sagt er und legt sich wieder hin.
    Nanna und Fride sitzen ratlos neben ihm. Niemand sagt etwas. Nanna fragt sich, was ihnen unterwegs begegnen wird und wie es wohl in der Stadt sein mag. Da ist jemand, jemand, der Blinksignale aussendet, andere Menschen, das weiß sie. Aber sie weiß nicht, ob diese Menschen in der Stadt freundlich sind, und jetzt, wo er so krank ist, traut sie sich nicht, ihrem Vater etwas davon zu erzählen. Wenn er davon wüsste, würde er sie niemals gehen lassen. Sie denkt daran, dass Papa alleinenicht zurechtkommen wird. Und Fride. Wie sollen sie das schaffen? Der Weg ist so weit und sie sind doch noch nie irgendwohin gelaufen. Sie sind immer mit dem Auto gefahren, wenn sie auf die Insel wollten, und die Fahrt war ihr jedes Mal so lange vorgekommen. Wo sollen sie unterwegs schlafen? Was ist, wenn sie nicht wieder nach Hause kommen? Oder wenn sie nach Hause kommen und Papa ist tot?
    »Müssen wir lange

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