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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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und schwerer. Wenn der Wind doch nur aus der anderen Richtung käme. Sie versucht, näher an eine Landzunge zu kommen, es sieht aus, als wären dort weniger Wellen.
    »Siehst du was?«, fragt Nanna und lässt die Ruder im Wasser ruhen.
    »Nein, nichts Besonderes«, antwortet Fride.
    »Achte auf die Häuser und Fenster«, sagt Nanna und fängt wieder an zu rudern.
    Sie wirft einen Blick zurück auf die Insel mit dem Haus zwischen den Bäumen. Undeutlich erkennt sie das Dach hinter den grauen Felsen. Die Ziegel sind braun und heben sich kaum von den Büschen ab. Alles wirkt leer und verlassen, als hätte das Haus sich aufgegeben und warte nur darauf, ein Teil der Insel zu werden. Nichts deutet darauf hin, dass sie dort jahrelang in einem Bunker gelebt haben. Ihr Haus sieht aus wie die verlassenen Häuser im Hafen. Aber ihr Haus ist nicht leer. Papa liegt dort und wartet auf sie.
    Fride summt vor sich hin, aber Nanna ist zu erschöpft, um ihr zu sagen, dass sie still sein soll, und schließlich scheint das Lied ihre Ruderschläge zu dirigieren. Nanna denkt nicht mehr nach, sondern rudert im Takt der Melodie. Führt die Ruder vor und zurück. Vor und zurück. Sie dreht den Kopf Richtung Ufer. Die Anleger sind menschenleer und hinter den schwarzen Fenstern regt sich nichts. Sie schließt die Augen und rudert, gibt alles, schnappt nach Luft. Jetzt zählt nur noch das Lied, vor und zurück, vor und zurück, und dann flaut der Wind ab und die Wellen legen sich. Hinter der Landzunge ist es windstill, jetzt gleiten sie ruhig und schnell durchs Wasser. Nanna lässt den Kopf hängen und ruht sich aus.
    »Fride, wir sind bald da. Wenn du irgendetwas siehst, das sich bewegt, sagst du Bescheid, ja? Egal was es ist.«
    »O.k.«, sagt Fride und kniet sich hin, den Blick fest aufs Land gerichtet.
    Nanna richtet sich auf und fängt wieder an zu rudern. Ihre Handflächen sind wund. Sie gleiten im Boot an der Küste entlang. Zwischen den Felsen stehen kleine Sommerhäuser, die Fenster sind mit Brettern vernagelt. Es sind rote und blaue Häuser mit kleinen Terrassen vor der Tür. Für einen kurzenMoment denkt Nanna, wie gemütlich es in diesen Häuschen gewesen sein muss, mit Stockbetten und vielleicht einem Ruderboot, aber dann schaudert sie. Dort könnten Menschen sein, unter jedem dieser Sommerhäuser könnte sich ein Bunker verbergen, in dem jemand wohnt, der sich nicht nach oben wagt. Papa hat erzählt, dass es seit dem großen Krieg auf beinahe jeder Insel Bunker gibt.
    Nanna versucht, zwischen den Brettern etwas zu erkennen, aber alles ist dunkel und nichts bewegt sich.
    »Siehst du was?«
    »Ja«, sagt Fride.
    Aber so, wie sie es sagt, klingt es nicht beunruhigend.
    »Was siehst du denn?«
    »Den Grund«, sagt Fride.
    »Na so was«, sagt Nanna lächelnd. »Was ist denn mit dem Grund?«
    »Da liegen Tausende von weißen Muscheln. Das sieht so schön aus. Ich wünschte, ich könnte da unten wohnen. Zusammen mit Fischen und Tintenfischen, wie in den Büchern.«
    »Siehst du denn Fische und Tintenfische?«
    »Nein. Die schlafen bestimmt.«
    »Bestimmt. Aber du sollst nicht nach unten auf den Grund schauen, sondern an Land. Was siehst du da?«
    Fride antwortet nicht. Sie richtet sich auf und hält den Kopf starr in Richtung Küste.
    »Büsche und Bäume. Und Häuser. Ein paar Boote liegen im Wasser.«
    Das letzte Stück in die Bucht ist ungeschützt. Wellen und Wind erfassen das Boot, sobald sie die Landspitze umrundet haben. Die Ruderschläge werden schwerer und Nanna spürt,wie erschöpft sie ist. Sie hätte sich ausruhen sollen, solange sie die Gelegenheit dazu hatte.
    Zwischendurch kämpft sich die Sonne durch die Wolkendecke und lässt das Meer und die weißen Wellenspitzen glitzern.
    Das Boot nähert sich der Mole und Nanna rudert mit aller Kraft, um die Einfahrt zu treffen. Es kommt ihr vor, als würden Seegang und Wind zunehmen, je näher sie kommen. Wellen schlagen gegen die mächtigen Steinblöcke. Nanna schaut zu den tristen Gebäuden am Ufer und hat große Lust, einfach die Ruder aus dem Wasser zu nehmen und sich zur Insel zurücktreiben zu lassen. Aber dann haben sie die Mole passiert, die Strömung lässt das Boot los und sie gleiten in den Hafen.
    Hier ist alles ganz still. Getrockneter Tang und das rostige Eisen der Vertäuungsringe haben die Steine rot und dunkelgrün gefärbt. Nanna lässt das Boot langsam treiben. Die Wasserfläche ist leer, aber am Anleger liegt ein Plastikboot. Ein roter Schöpfeimer schaukelt in

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