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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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stellt das Periskop so ein, dass die Sonne in den Funkraum leuchtet. Sie setzen sich vor die großen, grauen Kästen der Funkanlage und fangen an, an den Knöpfen zu drehen. Überall sind kleine, bunte Lämpchen, schwarze Schalter und haardünne Zeiger, die sich nicht rühren. Sie drehen und drücken an Knöpfen und Schaltern herum, aber es tut sich nichts. Fride setzt sich einen schwarzen Kopfhörer auf und macht ein besorgtes Gesicht.
    »Was ist los?«, fragt Nanna.
    »Wir stürzen in einen Vulkan. Das Raumschiff wird verbrennen«, sagt sie ernst.
    Nanna kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Lach nicht«, sagt Fride.
    Sie nimmt die Kopfhörer ab, lässt sich vom Stuhl rutschen und verschwindet unter dem Pult.
    Die Deckenlampe leuchtet heller.
    »Sei nicht sauer«, sagt Nanna und drückt auf das Morsegerät, das auf dem Tisch liegt.
    Papa hat ihnen erzählt, dass man früher in alten Zeiten nur morsen konnte. Alles, was man senden wollte, musste mit dem Morsealphabet buchstabiert werden. Der Morsetaster klickt unter ihren Fingern. Zweimal lang. Dreimal kurz. Papa hat ihnen das Morsealphabet erklärt, das an der Wand hängt undihnen gezeigt, wie man ihre Namen buchstabiert. Wenn sie U-Boot oder Raumschiff spielen, dann morsen sie immer.
    Nanna morst. Einmal lang. Einmal kurz. Klick. Klick. Das ist ein N. Einmal kurz. Einmal lang. Das ist ein A. Sie morst Nanna und Fride. Zwei Mal. Unter dem Tisch rumort es. Fride zieht an den Kabeln und kriecht hin und her. Nanna drückt lang und kurz. Ein schwaches Rauschen wird stärker.
    Nanna morst ihre Namen noch ein bisschen weiter, aber dann fängt sie an, über das Rauschen nachzudenken. Ist das der Generator? Hat Papa ihn angemacht? Nein, das Geräusch klingt anders und es kommt auch nicht aus dem Keller.
    Sie hört ein leises Klicken und einer der Zeiger am Funkgerät bewegt sich hin und her.
    »Was machst du da?«, fragt Nanna.
    »Ich stecke die Kabel zusammen«, sagt Fride.
    »Das Funkgerät hat Strom. Was hast du gemacht?«, fragt Nanna.
    Fride streckt den Kopf hervor.
    »Ich weiß nicht. Dasselbe wie immer. Oh, vielleicht können wir ja jemanden hören?«
    Nanna dreht alle Knöpfe, aber nichts passiert. Dann dringt leises Pfeifen aus einem der Lautsprecher. Der Ton wird lauter und lauter, bis er zu einem Heulen angewachsen ist.
    »Was ist das?«, ruft Fride.
    Und dann kommt Papa angerannt. Er reißt die Tür auf, wirft sich unter das Pult und zieht die Kabel raus. Er steht auf und schaut sie verzweifelt an: »Was habt ihr gemacht? Ist euch eigentlich klar, wie gefährlich das ist?«
    Nanna und Fride nicken ernst.
    »Niemand darf wissen, wo wir sind. Niemand. Nur dann können wir es schaffen.«
    »Aber da draußen ist doch keiner«, sagt Nanna.
    »Das wissen wir nicht«, sagt Papa. »Wir wissen nicht, ob wir sicher sind. Ihr müsst mir vertrauen. Eines Tages gehen wir nach oben. O.k.?«
    Sie nicken.
    »Jetzt trainieren wir und dann kochen wir was Leckeres zu Essen«, sagt Papa und wartet, bis sie aus dem Funkraum gegangen sind. Er nimmt den Schlüssel, der an der Wand hängt, und schließt hinter ihnen ab.
    ●
    An diesem Abend kann keiner von ihnen einschlafen. Fride liegt im Bett und wirft sich hin und her. Es ist heiß und die Betttücher sind so feucht, dass es sich anfühlt, als würde die Luft an der Haut kleben.
    »Nanna.«
    »Ja.«
    »Ich kann nicht schlafen.«
    »Warum nicht?«
    »Ich will raus.«
    »Ich auch«, sagt Nanna.
    »Glaubst du, dass es draußen gefährlich ist?«
    »Ich weiß es nicht. Aber es ist mir egal.«
    »Was glaubst du, wann wir raus dürfen?«
    Erst antwortet Nanna nicht. Sie denkt daran, wie oft Papa gesagt hat, sie müssten erst sicher sein, dass keine Gefahr mehrbesteht. Ganz sicher. Immer dasselbe. Dann sagt sie mit Nachdruck: »Morgen gehen wir einfach.«
    »Ehrlich?«
    »Ja.«
    »Wie sollen wir das machen?«, fragt Fride und wackelt mit dem Kopf, wie immer, wenn sie sehr aufgeregt und glücklich ist. »Papa erlaubt uns das nie.«
    »Wir sorgen dafür, dass er nichts davon mitbekommt. Und wenn wir herausgefunden haben, dass alles sicher ist, dann wird er uns bestimmt erlauben, öfter nach oben zu gehen.«
    »Aber wie?«
    »Du weißt doch, dass er sich mittags immer hinlegt, um zu schlafen.«
    »Ja«, sagt Fride.
    »Dann schleichen wir uns raus.«
    »Ja, aber die Luke ist doch zu. Wie sollen wir die aufkriegen?«
    »Ich glaube nicht, dass sie abgeschlossen ist. Wir müssen nur an dem Rad drehen.«
    »Ich bin so gespannt, wie es

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