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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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verband sie ihm damit.
    »Nimm die hier, Junge«, sagte ein hünenhafter Schwarzer und warf ihm ein Paar Handschuhe zu. »Ich habe noch ein Paar übrig.«
    »Ich habe doch gesagt, wir brauchen eine Seilwinde«, schimpfte Cyril.
    »Und ich habe dir gesagt, du sollst es gleich auf dem Dach aufbauen«, gab Karl zurück.
    Wortlos zog Cyril die Schultern ein. Er beugte sich über das Dachgesims und schüttelte mit finsterem Blick den Kopf.
    Christmas gesellte sich zu ihm. Schweigend blieb er mit aufgestützten Ellbogen am Gesims stehen.
    »Das schaffen wir nie«, sagte Cyril nach einer Weile leise.
    Christmas blickte auf das Gerüst, das zehn Fuß unter ihnen in der Luft baumelte. »Wartet hier auf mich«, sagte er plötzlich. »Tut nichts, bis ich wieder da bin.« Er sah die zehn Schwarzen an. »Kann mir jemand ein Fahrrad leihen?«
    Der Hüne, der ihm die Handschuhe gegeben hatte, stand auf, trat neben ihn an das Gesims und beugte sich nach unten. »Betty!«, schrie er. »Gib dem Weißen hier das Fahrrad!« Daraufhin wandte er sich an Christmas. »Geh, Junge. Meine Frau kümmert sich darum.«
    Christmas lächelte ihm zu und rannte die morsche Treppe des baufälligen Hauses hinunter, in dem Dutzende von Arbeiterfamilien zusammengepfercht lebten.
    Unten auf der Straße schob eine Frau mit großen, ausdrucksvollen Augen und einer Haut, die glänzte wie poliertes Ebenholz, ein verrostetes altes Fahrrad auf Christmas zu. Er stieg in den Sattel und blickte nach oben. »Ich bin gleich wieder da!«, schrie er zu Cyril, Karl und Maria hinauf.
    Dann trat er mit aller Kraft, die er in den Beinen hatte, in die Pedale und raste mit wehendem Haar davon. Ohne abzubremsen, durchquerte er ganz Manhattan bis zur Slipanlage 13.
    In einer großen Halle fand er den Mann, den er suchte. Die Arbeiter saßen im Kreis zusammen und lachten über irgendwelche Anekdoten.
    »Signor Filesi«, sagte Christmas außer Atem, »ich brauche Ihre Hilfe.«
    Santos Vater empfing ihn mit einem Lächeln und erhob sich von seinem Stuhl. »Der Junge ist ein Freund meines Sohnes«, stellte er ihn seinen Kollegen vor. »Er war es, der ihm zur Hochzeit das Radio geschenkt hat. Sein Name ist Christmas.«
    Die anderen Hafenarbeiter murmelten eine freundliche Begrüßung.
    »Also, was ist los?«, erkundigte sich Signor Filesi ruhig.
    Christmas rang nach Luft. »Stimmt es, dass Sie zwei Zentner mit einer Hand hochheben können?«, fragte er japsend.
    Eine halbe Stunde später parkten Signor Filesi, Tony – Carmelinas Vater – und ein weiterer Ladearbeiter namens Bunny den Pritschenwagen in der 125th Street vor dem Haus, von dem Cyrils Eisengerüst herabbaumelte. Sie warfen einen Blick auf die versammelten Schwarzen, bevor sie nach oben sahen und sich alle drei am Kopf kratzten.
    »Es ragt vor«, murmelte Signor Filesi.
    »Es ragt vor«, bestätigte Tony.
    »Tau und Schienen?«, fragte Santos Vater.
    Tony nickte. »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
    »Tau und Schienen«, sagte Bunny bekräftigend und öffnete die Heckklappe des Pritschenwagens. Er warf sich ein feuchtes, grün veralgtes langes Tau über die Schulter und griff sich zwei Eisenstangen, die ihn in der Länge überragten. »Reicht das?«
    »Das reicht«, entschied Signor Filesi.
    »Ich gehe raus, und du fischst«, sagte Tony.
    »Kommt gar nicht infrage«, erwiderte Signor Filesi. »Christmas ist mit meinem Sohn befreundet. Ich gehe raus, und du fischst.« Entschlossen trat er auf den Hauseingang zu, während ihm die Schwarzen, die nun noch zahlreicher auf dem Gehweg versammelt waren, mit den Blicken folgten.
    »Guten Tag allerseits«, sagte Signor Filesi mit einem Lächeln auf den Lippen, als er oben auf dem Dach ankam. Dann lehnte er sich über das Gesims, kratzte sich erneut am Kopf, drehte sich wieder um und ließ den Blick über die zehn Schwarzen gleiten, die vom Boden aufgestanden waren. »Du«, entschied er und zeigte mit Kennerblick auf den Hünen, der Christmas die Handschuhe gegeben hatte.
    Der Schwarze trat vor und ging zu Signor Filesi, der ihm gerade bis zum Magen reichte.
    »Du hast als Kind einige Steaks verdrückt, was?«, lachte Signor Filesi und klopfte ihm auf die Brust. »Also ... wie heißt du?«
    »Moses.«
    »Moses, du bist der Pfeiler. In Ordnung?«
    Moses runzelte die Brauen. »Was ist denn ein Pfeiler?«
    Tony nahm Bunny das Tau ab und schnürte es dem Hünen um die Brust. »Der Pfeiler ist derjenige, der den Ausguck festhält.«
    »Was soll ich tun?«, fragte

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