Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
Vom Netzwerk:
mich entlassen«, sagte Christmas.
    Cyril drehte sich um. »Was?«
    »Auch Mr. Jarach ist seinen Job los. Gehorsamsverweigerung.«
    Cyril warf Karl, der auf halber Treppe an die Wand gelehnt stand, einen Blick zu, schüttelte eine Weile den Kopf und schnaubte durch die großen Nasenlöcher. Schließlich griff er mit seinen knorrigen Händen nach der Tür und schlug sie mit Wucht zu. Er öffnete sie und schlug sie erneut zu. Und dann noch einmal und noch einmal, heftig und wütend, bis rings um die Tür der Putz bröckelte. »Vollidioten!«, brüllte er nach oben.
    »Was ist los?«, fragte ein Wachmann und schaute durch das Treppenhaus nach unten.
    »Hast du die Sendung des Jungen hier gehört?«, fragte Cyril, die Augen weit aufgerissen vor lauter Wut. » Diamond Dogs? «
    »Das warst du?«, fragte der Wachmann überrascht und deutete auf Christmas. »Hat Spaß gemacht.«
    »Tja, sie haben ihn entlassen«, knurrte Cyril.
    »Entlassen?«
    »Entlassen. Genau. Gehorsamsverweigerung.«
    »Gehorsamsverweigerung?«
    »Du brauchst nicht alles wiederholen, was ich sage«, brummte Cyril. Er holte tief Luft. »Vollidioten sind das!«, brüllte er noch einmal.
    Besorgt schloss der Wachmann die Tür. »Cyril, mach keinen Ärger ...«
    »Was zum Teufel soll das heißen, Gehorsamsverweigerung?«, wetterte Cyril weiter. »Vollidioten sind das!«
    »Schluss jetzt, Cyril«, mahnte der Wachmann. »Sie werden wohl ... ich kenne mich in diesen Dingen nicht aus, aber ... nun ja ... also, sie werden wohl ihre Gründe gehabt haben. Ich meine nur, dass ...«
    »Was du meinst, interessiert mich einen Scheiß«, unterbrach Cyril ihn.
    »Schluss jetzt«, sagte der Wachmann streng. Dann zeigte er auf Christmas. »Und du, Junge, kannst hier nicht bleiben, wenn sie dich entlassen haben.«
    Christmas wandte sich dem Lager zu. »Ich hole nur meine Sachen, dann bin ich weg.«
    »Leck mich doch«, brummte Cyril dem Wachmann hinterher, der hinter der Tür zum Erdgeschoss verschwunden war. Dann ließ er Christmas vorbei und folgte ihm ins Lager.
    Karl stand noch immer reglos da. Mit einer Hand stützte er sich an der Wand ab. Die Last der jüngsten Ereignisse lag zentnerschwer auf seinen Schultern und drückte ihm wie eine Steinplatte auf die Lunge. Es war aus und vorbei. Karl Jarach würde dorthin zurückkehren, wo er hergekommen war, dachte er. Er würde wieder ein polnischer Einwanderersohn sein. Er würde wie früher die Bälle und Scheunenfeste der Gemeinde besuchen und ein achtbares Mädchen aus seinem Heimatdorf heiraten. Nägel ohne Kopf, Tapeziernägel, Breitkopfnägel, Mauernägel ..., ging es ihm bitter durch den Kopf.
    »Mr. Jarach«, rief Christmas ihm von der Tür aus zu. »Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?«
    Mit angespannter Miene nickte Karl, stieg die Treppe hinunter und betrat das Lager. Eisennägel, Holznägel, Dübel ..., dachte er.
    »Du hast Talent, Junge«, sagte Cyril unterdessen. »Hör nicht auf diese Vollidioten. Du hast eine Menge Talent, verdammt. So viel Talent, dass ... ach, so ein Mist, so ein verdammter Mist! Dieses Scheißland ... zum Teufel mit dem amerikanischen Traum! Wenn du keiner von denen bist, kannst du dir den Traum in den Hintern schieben ... Aber du darfst nicht aufgeben.« Cyril nahm Christmas bei den Schultern und rüttelte ihn. »Sieh mich an. Sieh diesen Nigger an und hör ihm gut zu: Du hast es drauf, Junge. Du kannst es schaffen. Hast du mich verstanden?«
    »Ja«, antwortete Christmas lächelnd.
    »Ich meine es ernst.« Wieder rüttelte Cyril ihn mit liebevollem Nachdruck an den Schultern. »Gib nicht auf, sonst haben diese Vollidioten gewonnen. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Cyril«, sagte Christmas. »Danke.«
    Karl stand in der Tür. Eisenfeile, Holzfeile, Zimmermannshammer, Schusterhammer, Uhrmacherhämmerchen, Flachschlitzschraubendreher, Kreuzschlitzschraubendreher, Federzange, Wasserpumpenzange, zählte er in Gedanken weiter auf, während er die beiden anderen beobachtete. Männer für das Lager. Männer für das Kellergeschoss, nicht für den siebten Stock. Ein Schwarzer und ein Italiener. Zwei Immigranten. Genau wie er. Und plötzlich fühlte er sich unendlich einsam, weil er, um die Stufen zu erklimmen, die ihn bei N. Y. Broadcast ganz nach oben gebracht hatten, vernachlässigt hatte, was Cyril und Christmas miteinander verband. Freundschaft, Solidarität. All das, worauf er für seinen Aufstieg verzichtet hatte. Breit gezahnte Holzsäge, fein gezahnte Holzsäge, Laubsäge,

Weitere Kostenlose Bücher