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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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entlocken konnte. »Es ist eine Art Wette«, hatte er gesagt. Und da hatte Rothstein nicht widerstehen können. Weitere siebenhundert kamen bei Lepke Buchalter, Gurrah Shapiro und Greenie zusammen. Die Sache mit der Wette funktionierte bei ihnen nicht, sie waren keine leidenschaftlichen Spieler wie ihr Boss. Kaum aber erwähnte Christmas, es handele sich um ein illegales Geschäft, waren die drei mit von der Partie. Die Vorstellung, sich an einer gesetzwidrigen Sache zu beteiligen, mit der sie bislang noch keine Erfahrungen gemacht hatten, berauschte sie. Weitere fünfundachtzig Dollar stammten von Cetta und noch einmal hundertfünfzehn Dollar von Sal.
    »Zweitausendzweihundert Dollar!«, rief Karl am Ende der Woche zufrieden aus. »Mit meinen fünfhundert kommen wir auf zweitausendsiebenhundert. Und mein Vater hat mir dreihundert zugesagt. Glatte dreitausend Dollar! Nun können wir die Sache ganz groß aufziehen.« Er rieb sich die Hände und kicherte wie ein kleiner Junge.
    Tags darauf verkündeten zahlreiche Reklametafeln an strategisch wichtigen, jedoch kostengünstigen Plätzen in der Stadt, von Harlem über die Lower East Side bis Brooklyn, in riesigen Lettern:
    CKC – Euer Untergrundradio!
    In der folgenden Woche wurden die Reklametafeln ausgetauscht, und die New Yorker lasen:
    CKC – Euer Untergrundradio! Fangt an zu zählen: In sieben Tagen ist es so weit.
    Ohne die Tafel umzugestalten, wurde am nächsten Tag die Sieben durch eine Sechs ersetzt. Dann folgten die Fünf, die Vier, die Drei, die Zwei und schließlich die Eins.
    Die beiden Reklameactionen – den Zahlenaustausch eingerechnet – kosteten neunhundertzwanzig Dollar. Die restlichen zweitausendachtzig wurden in der Woche darauf bis auf den letzten Cent in neue Reklametafeln in schreienden Farben investiert, die zusätzlich zu den gewohnten Informationen ankündigten:
    Heute ist der Tag, auf den du gewartet hast, New York. Schalte um 7:30 p. m. Frequenz 540 AM ein und höre Diamond Dogs. So wirst du einer von uns.
    Die Schriftzüge CKC, 540 AM und Diamond Dogs leuchteten dabei abwechselnd auf.
    Lange vor halb acht war Harlem in heller Aufregung. Sämtliche Radios, die Cyril in den Jahren gebaut hatte, waren auf der richtigen Frequenz eingeschaltet. Auch Cetta hatte bereits eine Stunde früher das Radiola-Gerät eingeschaltet und hockte neben Sal, der noch blasser und aufgeregter war als sie, während aus dem Radio nur das Knistern der Röhren zu hören war. Im Funkhaus von N. Y. Broadcast hatte sich Maria mit den beiden Tontechnikern Leonard und Marcus, die an der ersten Ausstrahlung von Diamond Dogs beteiligt gewesen waren, in einem kleinen Studio im dritten Stock eingeschlossen und die Radioanlage auf 540 AM eingestellt. Cyril saß in Sister Bessies Zimmer, wo die Kinder sich an ihre Mutter schmiegten und nicht ganz verstanden, weshalb sie über das Radio einem Weißen zuhören sollten, der im Raum gleich nebenan redete.
    Das zum Senderaum umfunktionierte Zimmer war abgedunkelt worden, um die Atmosphäre zu schaffen, die Christmas brauchte. Fenster und Tür hatte man mit Hunderten hart gekochter Eier, für die das gesamte Viertel in den vergangenen Wochen gesorgt hatte, schalldicht gemacht.
    »Bist du bereit, Christmas?«, erkundigte sich Karl.
    Christmas antwortete ihm mit einem angespannten Lächeln.
    »Es wird alles gut gehen«, sagte Karl.
    »Klar.« Christmas schloss die Augen und umfasste mit einem tiefen Atemzug eines der drei Mikrofone, die Cyril aus dem Lager von N. Y. Broadcast hatte mitgehen lassen.
    Neben der Sendeanlage hatten sie ein altes Grammofon aufgestellt. Karl drehte die Handkurbel und drückte auf den Bremshebel. Auf dem Plattenteller lag eine Schallplatte, die Christmas gekauft hatte.
    Im Schlafzimmer blickte Sister Bessie auf die Uhr. »Jetzt«, sagte sie leise.
    »Wir sind auf Sendung«, wisperte Karl.
    »Leg los«, flüsterte Christmas.
    »Guten Abend, Freunde, herzlich willkommen zu dieser denkwürdigen ersten Radiosendung aus dem Untergrund«, sprach Karl mit leicht zitternder Stimme in sein Mikrofon. »Ihr hört nun Diamond Dogs . Gute Unterhaltung wünscht euch CKC.«
    Es folgte eine kurze Stille, in der Cyril nervös auf dem Bett herumrutschte, bis eine warme Stimme sagte: »Guten Abend, New York ...«
    »Das ist mein Christmas«, rief Cetta aus.
    »Sei still, du dumme Gans«, brummte Sal angespannt.
    »Bevor ich anfange, möchte ich euch um etwas bitten«, sprach Christmas ins Mikrofon.
    Im Dämmerlicht des Zimmers

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