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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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war der Punisher inzwischen eine Ikone. Die grausame Ikone einer grausamen Welt. Die schwarze Ledermaske, die Bill hatte aufziehen wollen, aus Furcht, wiedererkannt zu werden und für seine in New York begangenen Verbrechen büßen zu müssen, hatte sich als Erfolgsidee herausgestellt. Der Punisher hatte kein Gesicht. So konnte sich jeder einzelne Zuschauer vorstellen, selbst hinter der Maske zu stecken, selbst nicht davor zurückzuschrecken, eine Frau zu vergewaltigen. Sie zu schlagen und wie verdorbene Ware zu behandeln. Wie eine Sklavin. Ohne Rücksicht auf das Gesetz, ohne Rücksicht auf Regeln. Jenseits jeglicher Moral. Der Punisher verlieh all der Gewalt, die in vielen Männern schlummerte, Stimme und Körper. »Ja«, sagte Bill abermals.
    »Und das ist noch gar nichts, glaub mir«, fuhr Arty fort, während er seinen Whisky austrank und das Glas erneut füllte.
    Die ersten acht Filme, die dem ersten Probefilm gefolgt waren, waren nach traditionellem Schema gedreht worden. Einstellung, Schnitt, Pause, Einstellung und so fort. Die Opfer des Punishers waren professionelle Schauspielerinnen, Gesichter – und Körper –, die man in der Welt der Pornografie bereits kannte. Sie taten so, als würden sie vergewaltigt. Gegen Geld. Bill schlug sie tatsächlich, doch nicht so, wie er es im wahren Leben getan hätte. Alles war Fiktion. Zwischen einer Einstellung und der nächsten hatte ein Mädchen dafür zu sorgen, dass Bills Erregung nicht nachließ, während die Maskenbildnerin den vermeintlichen Opfern mit roter Farbe falsche Verletzungen aufmalte. Anfangs waren die Heldentaten des Punishers in Hollywood auf große Begeisterung gestoßen. Man hatte sich mit der Inszenierung begnügt. Hatte doch kein Regisseur, kein Produzent bis zu dem Zeitpunkt auf dem Gebiet der Pornografie derart viel gewagt. Dagegen wirkten alle anderen Filme, die im Umlauf waren, altbacken. Aber irgendwann hatte man sich auch an Artys neue Art der Pornos gewöhnt. Einige Schauspieler und Regisseure, die stets die Filme des Punishers für ihre Privatpartys gekauft hatten, hatten auf einmal erklärt, sie seien der immer selben Schauspielerinnen überdrüssig. Andere hatten behauptet, man sehe, dass alles nur gestellt sei. Da war Arty die Idee gekommen. Alles würde echt sein, alles realistisch. Keine Schnitte, keine Pausen, keine professionellen Schauspielerinnen. Echte Mädchen mussten her, echte Opfer. Alles sollte so sein wie damals, als er in der verlassenen Halle zum ersten Mal heimlich beobachtet hatte, wie Bill seine Starschauspielerin Frida, die Mexikanerin, vergewaltigte.
    »Im Ernst, das ist noch gar nichts«, sagte Arty mit Nachdruck. »Glaubst du mir das?«
    »Ja.«
    »Warte, bis der neue Film im Umlauf ist, dann wirst du schon sehen«, fuhr Arty fort. »Man wird uns mit Gold überschütten.«
    Bill füllte schweigend sein Glas. »Darüber wollte ich mit dir reden«, sagte er schließlich.
    »Worüber?«
    »Wie viel landet in meiner Tasche?«
    »Was willst du, mehr Geld?«, lachte Arty. »Okay, einverstanden. Tausend sind zu wenig? Wie viel willst du? Ich kann dir tausendfünfhundert pro Film zahlen. Was sagst du dazu?«
    Bill sah ihn an, ohne zu antworten, und trank einen Schluck.
    »Verflucht! Tausendfünfhundert, hab ich gesagt!«
    Bill schwieg noch immer.
    »Tausendsiebenhundert, verdammt noch mal. Mehr ist nicht drin. Sonst kriege ich die Kosten nicht gedeckt.«
    Bill leerte seinen Whisky in einem Zug. Er schnalzte mit der Zunge und schenkte sich ein weiteres Glas ein.
    »Versuch nicht, mich zu erpressen«, sagte Arty in hartem Ton.
    Bill grinste. »Sonst ...?«
    Ungehalten sprang Arty auf. »Ich habe dich erschaffen. Ich hab dich erst zu dem gemacht, der du bist. Vergiss das nie. Wer zum Teufel war Cochrann Fennore, bevor ich ... ich , verdammt noch mal ... ihn erfunden habe? Ein Bühnenbauhelfer, ein armer Schlucker. Und sieh dich jetzt an. Du hast einen Luxuswagen, diese Scheißsuite ... und du wirst dich finanziell noch verbessern.« Er zeigte mit dem Finger auf ihn. Seine Stimme wurde leiser. »Aber ich warne dich, versuch nicht, mich zu erpressen.«
    Bill nahm einen weiteren Schluck. In seinem Kopf drehte sich alles, und er wurde immer überschwänglicher. Er fühlte sich unbesiegbar. »Und wer zum Teufel war Arty Short, bevor der Punisher kam?«, erwiderte er voll Verachtung. »Ein Zuhälter. Nichts weiter als ein Zuhälter, der billige Hurenfilmchen drehte. Wie all die anderen Zuhälter in Hollywood. Und ein solcher

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