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Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Titel: Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Brown
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kennen gelernt hatte. Ich nehme an, es ist ganz einfach: Sein Universum schien nicht mehr ganz so einsam zu sein wie zuvor. Mein Junge war nicht allein. Emily klatschte in die Hände, kletterte wieder auf den Stuhl und begann, mit ihren Lippen ein brrrt -Geräusch zu formen, das sie selbst sogar noch komischer fand als ich. Sie war gelenkiger als Walker, glitt aber regelmäßig ab in die gleichen, nur ihr zugänglichen, unerreichbaren Gegenden. Molly sprach mit ihr, wie sie mit jedem anderen gesprochen hätte.
    »Glauben Sie, dass sie Sie versteht?«, fragte ich.
    »Ich glaube nicht, dass sie viel versteht«, sagte Molly. »Aber sie beginnt zu verstehen. Besonders in der Schule, mit der Routine, die sich an jedem einzelnen Tag wiederholt.«
    Die Schule sollte in einer Woche beginnen. Wenn Molly sie erwähnte, erschien auf ihrem Gesicht ein hungriger Ausdruck. Emily in der Schule bedeutete eine Chance für sie, auszuschlafen.
    Das Seltsame ist, dass es sehr schwer ist, tatsächlich loszulassen, wenn die unaufhörliche Wachsamkeit, die man bei einem CFC -Kind an den Tag legt, einmal nachlässt. Ernie Santa Cruz, Mollys Ehemann, bemerkte es beim ersten Mal, als Molly und er ein Wochenende ohne Emily verbrachten, damals war das Kind fünf Jahre alt. Sie ließen sie bei Mollys Schwester Kate, die fünfzehn Minuten entfernt im Salinas Valley lebt, nicht weit von ihren Eltern, die von den ersten Missionaren abstammen, die einst Kalifornien besiedelt hatten. Ernie hatte ein Zimmer in einem großen Motel in der Nähe der Avila Hot Springs reserviert, die Lage war perfekt. Ihr erstes Wochenende außer Haus in fünf Jahren.
    Und was war das Einzige, an das Ernie trotzdem bloß denken kann? Emily. Alle fünf Minuten hatte er die gleichen Gedanken: Was macht Emily jetzt? Fegt sie gerade die Bücher aus dem Regal im Wohnzimmer? Oder ist sie allein in ihrem Zimmer?
    Ernie wuchs in Whittier, Kalifornien auf, dem Heimatort Richard Nixons, besuchte das State College in Ohio und machte einen Abschluss in Sport, diente in der Navy in Japan und Vietnam. Er trainiert jeden Nachmittag die Volleyballmannschaft der Mädchen an der Arroyo Grande High School. Leanne, seine ältere Tochter, war in dieser Mannschaft. Sie haben zwei Mal die Regionalmeisterschaften gewonnen, die Meisterschaft in ihrer Liga sechzehn Mal. Man hat ihm Dozentenstellen am College angeboten, aber wegen Emily wollte er nicht so weit fahren. Er war ein sehr verlässlicher, solider Mann.
    Im Garten ihres Hauses stand ein alter Schuppen, daneben ein alter Sessel. Neben dem Sessel befand sich Ernies Schrein. Das war auf jeden Fall ein mögliches Wort dafür. (»Er behauptet, das hier ist seine Identität«, hatte Molly gesagt, als sie mir ihr Haus und den Garten zeigte. Sie wirkte gleichzeitig verblüfft und beruhigt. »Er sagt, das ist der Ort, an dem er am liebsten sitzt.«) Ein Plastikauto, ein paar Gummifrösche, Dinky Toys, ein Fleischwolf, der mit Kakteen gefüllt ist, ein Bierkübel von Corona, ein paar Maya-Masken, Emilys alte Turnschuhe, auf deren Zehen Herzchen gemalt sind. Inzwischen lief Emily im Garten herum, kauerte sich zu den Lavendelpflanzen herab, roch an ihnen und sagte: »Bah! Wah! Wah!« Ernie saß gern in seinem Sessel, wenn Emily im Garten spielte. Er konnte dort in seinem Schrein sitzen und zusehen, wie Emily sie selbst war.
    Dies war vermutlich sein letztes Jahr als Volleyballtrainer. »Ich sehe, dass er ein bisschen müder geworden ist«, sagte Molly. Ernie und Molly hatten stets verworfen, Emily in eine Wohngruppe einziehen zu lassen. Aber das änderte sich gerade. »Wir haben immer gesagt, wir behalten sie hier bei uns so lange, wie wir können«, sagte Molly.
    Als sie so weit war, über solche Dinge zu reden, saßen wir in ihrem Auto und waren auf dem Weg zum Abendessen in dem Restaurant, das ihren Eltern seit Jahren gehörte. Die langen automatischen Bewässerungsanlagen auf den großen Farmen neben dem Highway hatten begonnen, ihre Arbeit zu tun wie jeden Abend. Das Wasser spritzte in der Ferne über die Felder wie wilde Gedanken.
    »Aber wir haben begonnen, darüber nachzudenken. Wir haben immer gesagt, nächstes Jahr wird es leichter werden mit Emily. Aber es ist nie so.«
    Die Sache mit der CFC -Gemeinschaft ist, wie sich herausstellte, die, dass jeder völlig isoliert war und doch jeder alle anderen kannte. Molly, Ernie und Emily Santa Cruz lernte ich zum Beispiel durch Brenda Conger kennen. Jeder kannte Brenda.
    1992, mit vierunddreißig

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