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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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bearbeitet hatte, um irgendwie zu erreichen, dass es Fieber anzeigte.
    »So ein sonniger Tag ist doch viel zu schön für die Schule«, sagte sie. »Wir müssen das gute Wetter ausnutzen, findest du nicht? Ich habe gedacht, du und ich, wir könnten gemeinsam etwas unternehmen.«
    »Aber ich habe heute Nachmittag eine Doppelstunde Mathe«, sagte Noah.
    »Und? Macht dir das Spaß?«
    »Nein«, gab er zu. »Überhaupt nicht.«
    »Na, siehst du. Komm, wir gehen.«
    »Aber was ist mit meiner Tasche und mit meinen Büchern?«, sagte er und drehte sich zu seinem Klassenzimmer um. Da sah er, wie der Rektor, Mr Tushingham, mit wütendem Gesicht angerannt kam.
    »Die sind morgen auch noch da«, sagte Noahs Mutter. »Komm schnell, bevor wir erwischt werden.«
    Hand in Hand rannten sie zum Tor hinaus, aber Mr Tushingham verfolgte sie bis zum Parkplatz, denn er war überhaupt nicht einverstanden mit dem, was er da sah. Er rief ganz laut den Namen von Noahs Mutter, so laut, dass sogar die Vögel erschrocken von den Zweigen hochflatterten, aber Mrs Barleywater tat so, als würde sie ihn nicht hören, machte den Motor an und wollte aus der Parklücke herausfahren. Und sie hätte es auch geschafft, doch Mr Tushingham warf sich praktisch vor die Windschutzscheibe, so dass Noahs Mama keine andere Wahl blieb, als anzuhalten und seufzend das Fenster herunterzukurbeln.
    »Mrs Barleywater«, keuchte der Rektor. Er war ganz außer Atem, und so wie er aussah, hatte er bestimmt keinen Sport mehr gemacht, seit er so alt war wie Noah. »Was zum Teufel haben Sie vor? Es ist mitten am Schultag, da können Sie nicht einfach mit dem Jungen wegfahren.«
    »Aber die Sonne scheint«, erwiderte sie und schaute zum Himmel hinauf, wo die Wolken sich geteilt hatten, so dass zwischen ihnen ein blassblauer Streifen Himmel aufgetaucht war, der sich bis in die Unendlichkeit erstreckte. »Es wäre eine Sünde, so einen Tag im Haus zu verbringen.«
    »Aber das verstößt gegen die Vorschriften«, protestierte Mr Tushingham.
    »Gegen welche Vorschriften?«, fragte Noahs Mama.
    »Gegen die Schulvorschriften«, entgegnete er. »Gegen meine Vorschriften!«
    »Ach, vergessen Sie’s«, rief sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Wollen Sie nicht einfach auf den Rücksitz klettern und mitkommen, Mr Tushingham? Sie können uns gern Gesellschaft leisten. Nein? Wirklich nicht? Also – dann tschüs!«
    Mit diesen Worten legte sie den Rückwärtsgang ein und fuhr vom Parkplatz auf die Straße. Noah drehte sich um und sah den Direktor, wie er da stand, die Hände in die Hüften gestützt, und ihnen empört nachschaute.
    »Er sieht nicht besonders glücklich aus«, sagte Noah.
    »Ach, mach dir deswegen keine Sorgen«, sagte Mrs Barleywater. »Ich schreibe dir morgen eine Entschuldigung. Außerdem – wenn ich einen Tag mit meinem Sohn verbringen möchte, dann mache ich das, und kein Schuldirektor der Welt kann es mir verbieten. Wir sollten keine einzige Minute verplempern, du und ich.«
    Noah runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«, fragte er.
    »Was?«, fragte sie zurück und begegnete seinem Blick im Rückspiegel.
    »Dass wir keine Minute verplempern sollen.«
    »Nichts Spezielles«, sagte sie und schüttelte schnell den Kopf. »Nur, dass das Leben kurz ist, Noah, und dass wir so viel Zeit wie möglich mit den Menschen verbringen sollten, die wir lieben. Sonst nichts. Ich glaube, ich habe mein ganzes Leben gelebt, ohne das zu begreifen, aber jetzt … na ja, jetzt ist es mir plötzlich klargeworden. Die Schule ist auch morgen noch da, es gibt also keinen Grund, sich deswegen Sorgen zu machen. Die Mathedoppelstunde kommt auch wieder. Aber heute wollen wir beide uns ein bisschen amüsieren.«
    Noah wollte ihr nicht widersprechen, denn immerhin brauchte er den ganzen Nachmittag nicht in die Schule zu gehen und musste nicht einmal so tun, als hätte er Fieber. Also zog er die Krawatte seiner Schuluniform ab, knöpfte den Hemdkragen auf und schaute aus dem Fenster. »Wohin fahren wir überhaupt?«, fragte er, als er merkte, dass sie durch eine Gegend kamen, die er nicht kannte.
    »In der Stadt ist ein Jahrmarkt«, sagte sie. »Ich habe es heute Morgen in der Zeitung gelesen, und da habe ich gedacht, den könnten wir uns mal ansehen. Und weil alle anderen Kinder in der Schule sind, ist er nicht so überfüllt.«
    »Genial!«, rief Noah.
    Sie parkten am Bahnhof und fuhren mit dem Zug in die Stadt. Und Noahs Mama stritt sich nicht einmal mit dem Mann, der ihnen

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