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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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spitzen Stab in den Hals gerammt. Sie konnte sich nicht von der Waffe befreien. Sie war gefangen und blutete stark.
    Blut floss an dem Pflock herunter über die Hände des Mannes und tropfte auf den Boden des Käfigs.

    Schrecklich … Sie musste unglaubliche Schmerzen leiden.
    Und wahrscheinlich sterben.
     
    Heilige Scheiße!
    Ed Lake starrte auf das, was er angerichtet hatte.
    In dem hellen elektrischen Licht konnte er die Verletzung sehen. Und er erkannte, an welcher Stelle er sie getroffen hatte.
    Es war anders, als er geglaubt hatte.
    Die Spitze hatte sich knapp unter ihrem Kinn in den Hals gebohrt.
    Tief genug, damit der Widerhaken Halt fand.
    Sie würde nirgendwo mehr hingehen.
    Keine Chance.
    Aber, mein Gott, das ganze Blut.
    Es sprudelte nur so aus ihr heraus.
    Seine Hände waren nass, seine Brust glitschig, auf der Plattform bildete sich eine Pfütze. Zum ersten Mal konnte er seine Sexherrin richtig sehen. Ein rosafarbener Blutfleck auf dem Plexiglas trübte seine Sicht, aber er konnte sie gut genug erkennen.
    Sie war um die dreißig. Schulterlanges dunkles Haar. Schlank. Sie trug ein Negligé. Durch den durchsichtigen Stoff konnte er die Rundungen ihrer Brüste und die dunklen Nippel erkennen.
    Aber warum trug sie keine Nachtsichtbrille?
    »Ed … Ed …«, rief Virginia. »Ed. Sie kann dich nicht sehen … sie ist blind!«
    Blind?
    Wahnsinn. Deswegen konnte sie sich so gut im Dunkeln bewegen.

    Die Sexherrin wurde schwächer. Das Headset war ihr heruntergerutscht und lag auf dem Plexiglasdach. Ihre Stimme hatte sich in ein leises Wimmern verwandelt.
    Deshalb erschrak Ed, als plötzlich ein lauter Schrei ertönte.
    Er kam aus einer anderen Richtung.
    Virginia?
    Nein.
    Ohne das Stuhlbein loszulassen, drehte er den Kopf. Dort stand eine junge Frau neben den Käfigen.
    Wer zum Teufel war sie?
    Doch er kam nicht dazu, sich darüber Gedanken zu machen. Die Frau schrie ein weiteres Mal. Es war ein Ausdruck nackten Entsetzens. Sie zeigte auf etwas.
    Nicht auf die aufgespießte blinde Frau.
    Auf etwas vollkommen anderes.

55
    Als sie dachte, es könnte nicht schlimmer kommen, wurde sie eines Besseren belehrt.
    Grace hatte den jungen Mann und die blinde Frau, der er seine Harpune in die Kehle gestoßen hatte, beobachtet. Angewidert wandte sie den Blick ab.
    Und sah etwas anderes.
    Etwas viel Schlimmeres.
    Eine Sekunde lang starrte sie verständnislos die Gestalt in dem kleineren Käfig vor dem stählernen Rolltor an. Es war die Frau, der sie durch den Wald gefolgt war.
    Sie stand mitten im Käfig. Ein dunkler ausgezehrter Körper. Langes kupferfarbenes Haar.
    Sie machte einen entspannten Eindruck, als ließe ihre Umgebung sie kalt.
    Dann begriff Grace, warum.
    Sie ist tot.
    Grace starrte die reglose Leiche an. Sie war nackt und sah aus, als käme sie aus grauer Vorzeit. Ihre Brüste waren verschrumpelt. Um den Hals war das Fleisch runzlig, weiter unten an der Brust wurde es glatter. Aus irgendeinem Grund erinnerte es Grace an die Schale einer Melone.
    Ein Melonenschalenkörper und ein Dörrfleischhals? Widerlich.
    Das wunderschöne Haar glänzte im Licht und umrahmte ein scheußliches Gesicht.

    Es war kaum mehr als ein Totenschädel mit eingesunkenen Lippen, die ihre Zähne entblößten. Anstelle von Augen hatte sie nur leere Höhlen, von denen dunkle Schächte tief in den Kopf führten. Quer über ihren Bauch verlief eine unbeholfen vernähte Wunde.
    Graces eigene Haut fühlte sich plötzlich an, als wollte sie sich von ihrem Rücken schälen. Ihr Magen drehte sich um. Die Knie zitterten.
    Grace hatte solche Gestalten schon mal im Museum gesehen. In Geschichtsbüchern. Im Fernsehen.
    Es war eine Mumie.
    Eine alte ägyptische Mumie, deren Bandagen jemand abgewickelt hatte.
    Warum hier?
    Warum jetzt?
    In diesem Irrenhaus?
    Sie bemerkte, dass der Mann auf der Plattform und die Frau in dem angrenzenden Käfig die Mumie ebenfalls anstarrten. Offenbar überlegten sie, was hier gerade geschah. Ihre Gesichtsausdrücke spiegelten eine Mischung aus Ekel und Entsetzen wider.
    Ich will jetzt gehen.
    Ich will weglaufen. Niemals einen Blick zurückwerfen.
    Man sollte dieses Haus niederbrennen und die Erde mit Salz bestreuen. Macht man das nicht so mit Spukhäusern? In der Bibel wird auf diese Art mit verfluchten Orten verfahren.
    Stille lastete auf dem großen Raum.
    Grace konnte nur das leise Stöhnen der verwundeten Frau auf dem Käfigdach hören, die durch den Blutverlust geschwächt war.

    Die Aufmerksamkeit aller ruhte

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