Der Kaefig - Roman
auf dem Ding im Käfig am Rolltor.
Während dieser unheilvollen Stille bewegte es sich.
Die Mumie hob langsam ihren Kopf, als könnten die augenlosen Höhlen die Lichter an der Decke wahrnehmen.
Dann senkte sie ihren Kopf wieder. Drehte ihn nach links. Drehte ihn nach rechts.
Sie betrachtete ihre Umgebung.
Ohne Eile setzte sie sich in Bewegung.
Großer Gott. Die Mumie lief herum.
Sie durchquerte den Käfig, und die langen Haarsträhnen wippten über ihrem Rücken, als führten sie ein Eigenleben. Sie blieb stehen. Streckte langsam die Arme aus. Ihre Fingerspitzen strichen über die Gitterstäbe. Der Mund öffnete sich ein wenig, als spräche sie mit sich selbst.
Grace bewegte sich mit dem Rücken an der Wand auf den Ausgang zu. Sie wollte sich an der Mumie vorbeischleichen und dann zum Rolltor rennen. Sie hatte gehört, wie es sich klappernd geschlossen hatte, und war zuversichtlich, den Knopf zu finden, mit dem es sich wieder öffnen ließ.
Dann würde sie draußen sein.
Sie würde nicht aufhören zu rennen, bis …
»Bitte hilf uns.«
Grace sah sich ruckartig um. Die junge Frau in dem zweiten Käfig sprach mit ihr.
»Wir sind hier gehalten worden als … wir sind Gefangene. Such einen Schlüssel, um die Käfige zu öffnen.«
Der Mann nickte hektisch. »Bitte hilf uns. Wir werden sterben, wenn wir nicht hier rauskommen.«
»Aber …« Grace zeigte auf die Mumie, die mit einem ihrer Klauenfinger einen Gitterstab hinabfuhr.
»Mach dir deswegen keine Sorgen«, sagte die Frau schnell. »Es ist in dem Käfig eingesperrt – es kann dir nichts tun.«
»Aber es ist tot … es ist tot. «
Aber es bewegte sich.
Sie entdeckte Löcher im Oberkörper des Monsters.
Schusswunden?
»Bitte hilf uns!« Der Mann ließ den Stock los. Blutverschmiert rutschte er aus dem Spalt zwischen der Plattform und dem Käfigdach heraus und ließ sich auf den Betonboden hinab. Die blinde Frau fiel flach auf das Dach und blieb reglos liegen.
Der Mann streckte Grace eine blutige Hand durch die Gitterstäbe entgegen. Sie blickte entsetzt auf seine glitschigen Finger, auf die roten Tropfen, die sich an seinen Fingerspitzen sammelten.
»Hilf uns.« Er hatte die Augen weit aufgerissen. »Hilf uns … Hey! Wo willst du hin? Du kannst uns doch nicht hier zurücklassen. Bitte, lass uns nicht hier … «
56
Grace rannte an den Käfigen vorbei. Sie schlug einen möglichst großen Bogen um den, in dem die Mumie gefangen war.
Der blutverschmierte Mann brüllte: »Wo willst du hin? Du kannst uns doch nicht einfach hierlassen … wir werden sterben, wenn du gehst!«
»Komm zurück«, rief die Frau in dem anderen Käfig. »Bitte!«
Grace lief zu einem Regal, auf dem eine Metallkiste stand. »Ich hau nicht ab«, keuchte sie. »Ich suche nach Werkzeug. Ich brauche irgendwas, um die Käfige aufzubrechen. «
Die Frau in dem zweiten Käfig griff durch die Gitter und nahm eines der beiden Vorhängeschlösser in die Hand, die die Tür verriegelten. »Die sind aus gehärtetem Stahl. Man bräuchte Dynamit, um die zu knacken. Such lieber nach einem Schlüssel.«
»Einem Schlüssel? Wo denn?«
Der Mann schaltete sich ein. »Es muss hier irgendwo Schlüssel geben. Such sie.«
»Aber sie könnten überall im Haus sein.« Grace zuckte mit den Schultern. »Das ist wie die sprichwörtliche Nadel im …«
Die Frau nickte zu der Mumie hinüber. »Die Schlösser von dem Käfig sind während der letzten halben Stunde
geöffnet worden … die Schlüssel müssen in der Nähe sein.«
Grace lief durch den Raum und suchte an den Wänden nach einem Haken. Vielleicht hingen die Schlüssel ja wirklich ganz in der Nähe. Oder lagen sie in einer Schublade des Schreibtischs, der gleich um die Ecke stand? Hatte die aufgespießte Frau sie bei sich?
Unwahrscheinlich. In dem dünnen Nachthemd gibt es mit Sicherheit keine Taschen.
Trotzdem drehte Grace den Kopf, um die blinde Frau anzusehen. Sie bewegte sich nicht. Ihre Lippen waren blau angelaufen und der ganze Körper mit glänzendem Blut beschmiert.
Sie wandte sich ab und durchsuchte die Regale. Dutzende von Regalen. Nach ein paar Sekunden gab sie entnervt auf. Sie stolperte an dem Käfig des Mannes vorbei und beschloss, mit der Suche am Eingang dieses Horrorkabinetts zu beginnen.
Der Mann umklammerte die Gitterstäbe. Er rief ihr etwas Ermutigendes zu.
Atemlos lief Grace auf der anderen Seite der Käfige entlang und sah sich zu ihm um.
Plötzlich versperrte ihr etwas den Weg.
Sie blieb stehen und
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