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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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gebracht hatte.

    Später ging wieder das Licht aus. Er merkte, dass er zitterte, und wusste nicht, ob es vor Angst oder Aufregung war. Als es wieder hell wurde, wurde ihm klar, dass der bizarre sexuelle Akt nicht wiederholt werden würde. Stattdessen gab es Mittagessen.
    Wieder diese Flugzeugtabletts.
    Wieder lauwarmer Kaffee.
    Aber dieses Mal gab es ein Sandwich und zwei hellrote Äpfel. Seine beiden Mitgefangenen stürzten sich sofort auf ihr Essen. Als würde er sich noch dafür schämen, was mit ihm geschehen war, blieb er unter seiner Decke, bis die beiden fertig waren, und aß erst danach. Das Sandwich bestand aus einem dicken Stück Truthahnfleisch auf Vollkorntoast. In Anbetracht der Umstände schmeckte es ganz gut.
    Kaum hatte er aufgegessen, da merkte er, dass er seine Schüssel mit dem Sägemehl würde benutzen müssen.
    O Mann. Immer wenn er dachte, schlimmer könnte seine Scham nicht werden, wurde noch eine Schippe draufgelegt.
    Niemand sah zu. Er wischte sich mit dem Toilettenpapier ab und versuchte dabei, so leise wie möglich zu sein.
    Niemand gab einen Kommentar ab. Niemand sah in seine Richtung.
    Später ergriff Marco das Wort. Er klang gut gelaunt. »Und, wer war ein braver Junge?«
    »Du jedenfalls nicht, Marco«, sagte Virginia.
    »Sieht aber so aus. Ich hatte einen Schokoladenkeks bei meinem Essen. Hausgemacht.«
    »Und?«
    »Das hattet ihr beiden nicht.«

    »Und was hast du davon?« Ed ärgerte sich über Marcos selbstgefällige Haltung.
    »Es zeigt, dass ich der Liebling des großen Herrschers da oben bin.«
    Ed sah zu Marco hinüber, der strahlend durch die Gitter seines Käfigs grinste. Als er wieder zu Virginia blickte, schüttelte sie den Kopf.
    »Lass ihn, Ed. Er will dich nur verwirren.«
    »Wer sagt das?«
    »Ich sag das, Marco.«
    Ed betrachtete Marcos Mund. Für einen Mann hatte er volle rote Lippen. Seine Zunge kam hervor und angelte sich einen Krümel, der im Mundwinkel hängen geblieben war.
    Könnte es sein, dass …?
    Nein. Ed bekam eine Gänsehaut.
    Aber könnte es sein, dass Marco es war, der ihn vor ein paar Stunden missbraucht hatte? War Marco sein Entführer ? Er könnte einen Komplizen haben, der das Licht ausschaltete und den Mechanismus bediente, mit dem die Platte unter das Käfigdach gehoben wurde. Dann müsste Marco nur seine Tür entriegeln, auf das Käfigdach klettern und dann … und dann …
    Ed schluckte. Nein, dieser Gedanke gefiel ihm nicht. Dass Marco mit drinsteckte … oder sogar die treibende Kraft war.
    Aber es war möglich. Marco könnte irgendein krankes Spiel mit ihnen spielen.
    Er sah zu Virginia. Sie fing seinen Blick auf, die grünen Augen kalt wie Eis. Hing sie auch mit drin? Zwei Gestörte, die sich ihr eigenes Freudenhaus errichtet hatten, in das sie ihre Entführungsopfer sperrten.

    Je länger er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien es ihm. Oder war er nur paranoid?
    »Worüber denkst du nach, Ed?«
    Er errötete. »Über nichts.«
    »Nichts?« Virginia legte ihren Kopf schief. »Das scheint aber ein schmerzliches Nichts zu sein.«
    »Hä?«
    »Du hast mich so böse angestarrt.«
    »Entschuldigung.«
    »Ich dachte schon, ich hätte was falsch gemacht.«
    »Nein.«
    »Oder dich beleidigt.«
    »Überhaupt nicht.«
    Sie blickte ihm in die Augen. »Du sagst mir Bescheid, wenn ich dir auf den Schlips trete, oder?«
    In diesem Augenblick wirkte sie so verletzlich, dass er wünschte, er könnte durch die Stäbe des Käfigs greifen und sie umarmen.
    »Wenn du nämlich böse Sachen über mich denkst«, sagte sie, »wünsche ich dir den Tod.«
     
    Ungefähr eine Stunde lang fühlte sich Ed Lake wie das fünfte Rad am Wagen. Vor einer Weile hatten sich Virginia und Marco noch gestritten. Jetzt plauderten sie miteinander. Über nichts Besonderes. Darüber, wie sie als Kinder den Urlaub verbracht hatten. Anscheinend waren sie beide am Lake Placid gewesen. Beide hatten Väter, die gefischt hatten. Beide hatten Hamster gehalten. Beide hatten das gleiche Sternzeichen. Stier. Sie tauschten Erinnerungen aus. Plötzlich hatten sie so viel gemeinsam.
    Sie wollen mich ausschließen, damit ich mich einsam fühle, dachte Ed.

    Psychospielchen.
    Zwei Leute verbrüdern sich. Zeigen dem dritten die kalte Schulter.
    Sie spielte mit ihren Haaren, während sie mit Marco sprach. Einmal ließ sie das Laken herunterrutschen, als wollte sie ihm ihre Brust zeigen. Er lächelte viel, legte beim Reden den Kopf zur Seite. Weil sich Eds Käfig in der Mitte befand,

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