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Der kälteste Winter: Erinnerungen an das befreite Europa (German Edition)

Der kälteste Winter: Erinnerungen an das befreite Europa (German Edition)

Titel: Der kälteste Winter: Erinnerungen an das befreite Europa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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Schwäche meines Großonkels zu der Zeit, als er Perlita gerettet hatte, hatte politische Gründe und war Anlaß zu großer Bitterkeit. Einige Monate zuvor hatte er an meine Großmutter in Long Island geschrieben, um ihr für einige Sack Zucker zu danken, die sie ihm geschickt und die Luisa auf dem Schwarzmarkt gegen Lebensmittel eingetauscht hatte. Er bekam zwar eine Art Pension, aber die reichte in diesen schwierigen Zeiten nicht weit, und ein paar zusätzliche Peseten und Nahrungsmittel erleichterten das Leben. In dem Brief brachte er auch seine Hoffnung zum Ausdruck, daß auch Spanien nun, da der Rest Europas vom Faschismus befreit worden sei, von General Francisco Franco und seiner Falange erlöst werden möge. Eine junge Cousine aus Cádiz weilte zu dieser Zeit gerade zu Besuch bei ihm. An dem Tag, an dem er den Brief schrieb und zur Post brachte, ging sie zum nächsten Polizeirevier und meldete einem der dortigen Beamten, daß ihr älterer Cousin gerade einen landesverräterischen Brief an seine Schwester in Amerika abgeschickt habe.
    Die politische Polizei nahm Tío Antonio mit aufs Revier, wo sie ihn fast eine Woche lang in einer feuchtkalten Zelle ohne Decke oder auch nur ein Brett zum Hinlegen festhielten. Sie prügelten ihn, wenn auch nicht so hart, wie sie es vielleicht noch ein paar Jahre früher getan hätten, als die Achsenmächte auf dem Höhepunkt ihres Erfolges standen und ihre Schläge brutaler gewesen waren. Ab und zu gaben sie ihm etwas zu essen. Er war ein alter Mann, und sein Körper nahm schweren Schaden, doch geschlagen zu werden verletzt nicht nur den Leib.
    Er war Arzt im Ruhestand. Er war Oberst der Armee gewesen. Wie sein Freund Ortega hatte er Essays über Philosophie, spanische Geschichte und gegen den Klerus geschrieben. Er erzählte mir von Miguel Primo de Rivera, dem spanischen General, dessen Militärdiktatur im Jahr meiner Geburt errichtet worden war und dessen einzige gute Tat, so Tío Antonio, in dem Erlaß bestanden habe, daß die Pferde der Picadores bei Stierkämpfen ein Polster um den Leib tragen sollten, um sie vor dem Aufgeschlitztwerden in der Arena zu schützen. Er sprach von der Monarchie, von den Karlisten, von Alcalá Zamora y Torres und seinen Bemühungen, das Kirchengut unter den Bauern zu verteilen, von den Aufständen der Anarcho-Syndikalisten in Katalonien, von Manuel Azaña und der Volksfront und von Franco, und immer ging es um Charakterzüge: Niedertracht, Boshaftigkeit, Ehrgeiz und menschliche Blindheit, als seien politische Überzeugungen nicht mehr und nicht weniger als Facetten des menschlichen Temperaments. So viel begriff ich, obwohl die Vielzahl der Namen und Ereignisse mich verwirrte.
    Luisa ging jeden Tag zum Polizeirevier, solange er dort festgehalten wurde, brachte ihm Essen und warme Kleider, was ihm beides nicht ausgehändigt wurde. Und sie wartete in der kalten Abenddämmerung auf ihn, als er aus der Tür gestoßen wurde und auf der Straße das Bewußtsein verlor.
    Lange Zeit war er krank. Während seiner Genesung sah er die kleine Hündin und rettete sie.
    Perlita war eine eigenartige Kreatur. Oft stand sie lange auf der Schwelle eines Zimmers, als erwarte sie ein Zeichen. Als ich sie zum ersten Mal sah, war sie wohlgenährt. Ich fragte Tío Antonio, wie er sie aufgepäppelt habe, schließlich hatte er mir erzählt, sie sei nur Haut und Knochen gewesen, als er sie fand.
    « Sopa de ajo », antwortete er lächelnd.
    Knoblauchsuppe.
    Als ich mit meiner Großmutter in einem dörflichen Vorort auf Long Island lebte, schickte sie mich manchmal mit einem etwas anderen Frühstück als den üblichen Cornflakes und Toast zur Schule: Sie zerdrückte Knoblauchzehen und strich sie auf eine Scheibe dunkles Brot, die mit Olivenöl getränkt war. An solchen Morgen wurde ich in der Grundschule mit gespielten Schreckensschreien und abwehrend ausgestreckten Händen begrüßt, die mich warnten, näher zu kommen.
    Ich war die Fremde in einer Schule, die nach meiner Erinnerung vor allem von Kindern aus der irisch-katholischen Arbeiterschicht besucht wurde. Der letzte und vernichtende Beweis meiner Andersartigkeit war meine Großmutter selbst, wenn sie zu Elternsprechtagen in die Schule kam.
    Sie ähnelte den anderen Eltern nicht im geringsten. Sie war natürlich viel älter. Sie hatte einen starken spanischen Akzent. Sie sah aus wie eine Nordspanierin.
    Ich liebte das dunkle Brot mit Knoblauch und Olivenöl, und ich ließ nicht davon ab.
    Vorurteile bringen ganz

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