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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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er, durfte er nie wieder machen.
    »Ich bin hier, Senhora,« Er trat ans Fußende der Treppe. »Brauchen Sie mich?«
    »Ich habe etwas Komisches gerochen«, sagte sie, während sie noch ein paar Stufen weiter herunterstieg. »Ich wollte mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist.«
    Nur der Geruch von Feuer oder Erbrochenem hätte eine derartige Reaktion heraufbeschworen. Bestimmt war der Kaffee der Missetäter. Seit er die Bohnen von Geertruid erhalten hatte, hatte Miguel sich an das Aroma gewöhnt, doch ihm wurde bewusst, dass es für jemanden, der damit nicht vertraut war, fremdartig sein mochte.
    »Oh, der Boden ist ganz nass«, bemerkte Hannah. »Haben Sie etwas vergossen?«
    »Das ist der Kanal, Senhora. Er tritt abends übers Ufer.«
    »Ich weiß«, sagte sie leise. »Ich mache mir Sorgen, dass Sie krank werden.«
    »Mir geht es gut, Senhora. Und es ist besser, im Feuchten zu schlafen als in einem heißen Raum ohne Fenster. Ich habe einen Arzt befragt.«
    »Ich wollte nachsehen, was hier so seltsam riecht.« Sie klang verwirrt, als hätte sie zu viel Wein getrunken. Wenn er es sich richtig überlegte, hatte ihre Stimme etwas Unkontrolliertes, Zittriges. Sie wollte noch etwas sagen, aber sie zögerte. Er wusste, dass sie seine Gesellschaft genoss, dass sie ihn gern umsorgte und mit ihm plauderte, aber in den Keller hinabzusteigen – woher kam diese neue Kühnheit?

    »Sie müssen sich nicht ängstigen, Senhora. Der Geruch stammt nur von einer neuen Teesorte. Es tut mir Leid, dass er Sie gestört hat.«
    »Eine neue Teesorte!«, rief sie aus, als ob sie genau das hatte hören wollen. Miguel glaubte ihr jedoch nicht ganz. Es war eher, so dachte er, als hätte sie sich eine Gelegenheit zunutze gemacht. Jetzt wagte Hannah sich noch eine Stufe weiter, sodass sie sich nur noch wenige Zentimeter über dem nassen Boden befand. »Daniel meint, Tee sei Geldverschwendung, aber ich liebe ihn.«
    Miguel bemerkte, dass Hannahs Schal verrutscht war und eine dicke Locke ihres schwarzen Haares ihr in die Stirn hing. Als Frau, die erst vor kurzem zum jüdischen Glauben zurückgekehrt war, war das Gesetz, das es einer verheirateten Frau verbot, ihre Haare einem anderen Mann als ihrem Ehegatten zu zeigen, vielleicht noch nicht in die Tiefen ihrer Seele eingedrungen. Auch Miguel war dieses Verbot bei seiner Ankunft in Amsterdam merkwürdig erschienen, doch mittlerweile hatte er sich so sehr an die Gesetze gewöhnt, dass er kaum schockierter gewesen wäre, wenn sie ihre Brüste vor ihm entblößt hätte – die groß waren und ihn erheblich interessierten.
    Wie die Dinge lagen, fand er diese Locke seltsam erregend. »Vielleicht können Sie ihn irgendwann kosten«, sagte Miguel mit sich überstürzenden Worten, die sein Unbehagen verrieten. Sein Gesicht wurde heiß, und sein Puls ging schneller. Sein Blick war auf die Haarsträhne fixiert. Er wusste sofort, wie sie sich anfühlen würde – weich und spröde zugleich -, und konnte ihren Moschusduft riechen. Wusste sie, dass sie sich derartig bloßstellte? Das konnte Miguel sich kaum denken. Er wollte etwas sagen, damit sie den Fehler korrigierte, ehe Daniel ihn entdeckte, doch wenn er das täte, würde sie sich womöglich zutiefst gedemütigt fühlen.
    »Ein andermal will ich den Tee gern mit Ihnen teilen«, versprach
er ihr. »Ich hoffe, Sie schließen die Tür zum Keller, wenn Sie gehen.«
    Das konnte Hannah nicht missverstehen. »Ich bedaure, dass ich Sie belästigt habe, Senhor.« Sie trat den Rückzug über die Treppe an.
    Er hätte ihr am liebsten hinterhergerufen, dass sie ihn nicht belästigt habe. Er konnte sie nicht mit dem Gefühl gehen lassen, sie habe sich dumm benommen. Aber er wusste, dass es genau das war, was er tun musste. Sollte sie sich dumm vorkommen, damit sie ihn hier nie wieder aufsuchte. Es konnte nichts Gutes dabei herauskommen.
    Miguel kehrte an seinen Schreibtisch zurück und trank seinen Kaffee aus. Er würde sich nicht gestatten, an sie zu denken, denn er hatte auch so schon genug Schwierigkeiten. Er sollte lieber überlegen, wie er sich Joachim Waagenaars entledigen konnte.
    Miguel fiel keine Lösung ein, obwohl er noch Stunden wach lag. Lange nachdem es im Haus still geworden war, schlüpfte er hinauf auf den Dachboden, um Annetje zu wecken, und erst als er sich mit ihr verausgabt hatte, fand er endlich Ruhe.

    Aus
    Die auf Tatsachen beruhenden und aufschlussreichen Memoiren des Alonzo Alferonda
    Seit Miguel Lienzo ein Interesse an der wundersamen

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