Der kalte Hauch der Angst
Sieisst und isst. Der Wein verleiht ihr ein angenehmes, warmes Gefühl. Zum Glück ist Véronique so redselig. Sie hält sich an allgemeine Themen, aber sie kann gut Konversation machen, indem sie Anekdoten und Belangloses aneinanderreiht. Sophie schnappt Bruchstücke von Informationen über Véroniques Eltern auf, ihr Studium, den kleinen Bruder, die Reise nach Schottland â¦Â Und dann versiegt die sprudelnde Quelle auf einmal.
»Verheiratet?«, fragt Véronique und deutet auf Sophies Hand.
Unbehagen â¦
»Nicht mehr.«
»Und Sie tragen den Ring trotzdem?«
Daran denken, den Ring abzuziehen. Sophie improvisiert.
»Wahrscheinlich aus Gewohnheit. Und Sie?«
»Diese Gewohnheit hätte ich gern angenommen.«
Sie hat mit einem verlegenen Lächeln geantwortet, das Einverständnis unter Frauen einfordert. Unter anderen Umständen vielleicht, sagt sich Sophie, aber nicht jetzt â¦
»Und?«
»Vielleicht klappt es ein anderes Mal.«
Véronique stellt Käse auf den Tisch. Für jemanden, der nicht weiÃ, was er im Kühlschrank hat â¦
»Dann leben Sie also allein?«
Véronique zögert.
»Ja â¦Â«
Sie beugt sich über ihren Teller, dann richtet sie sich wieder auf und sieht Sophie in die Augen, als wolle sie sie provozieren.
»Seit Montag â¦Â Ist relativ neu.«
»Ach so â¦Â«
Sophie weiÃ, dass sie das nicht wissen will. Sich nicht einmischen. Sie will aufessen und gehen. Ihr geht es nicht gut. Sie will weg.
»Das kommt vor«, meint sie dümmlich.
»Ja«, sagt Véronique.
Sie plaudern noch eine Weile, aber die Unterhaltung wurde irgendwie gestört. Ein kleines persönliches Missgeschick hat sich zwischen die Frauen gestellt.
Und dann klingelt das Telefon.
Véronique dreht den Kopf zum Flur, als würde sie erwarten, dass der Anrufer in der Tür steht. Sie seufzt. Es klingelt einmal, zweimal. Sie entschuldigt sich, steht auf, geht in den Flur und nimmt ab.
Sophie trinkt ihren Wein aus, schenkt sich nach, blickt aus dem Fenster. Véronique hat die Tür zugemacht, aber ihre Stimme dringt gedämpft ins Wohnzimmer. Eine peinliche Situation. Wäre Véronique nicht in der Eingangsdiele, Sophie könnte ihre Jacke nehmen und einfach gehen, jetzt, ohne sich zu verabschieden, wie eine Diebin. Sie hört ein paar Worte und versucht automatisch, das Gespräch zu rekonstruieren.
Véroniques Stimme ist hart und ernst.
Sophie steht auf, macht ein paar Schritte, um sich von der Tür zu entfernen, aber der Abstand ändert nichts daran, dass Véroniques gedämpfte Stimme zu hören ist, als wäre sie hier im Zimmer. Schreckliche Worte einer ganz normalen Trennung. Das Leben dieser Frau interessiert Sophie nicht. (»Vorbei, hab ich gesagt, es ist vorbei!«) Sophie sind diese missglückten Liebschaften egal, sie geht zum Fenster. (»Wir haben hundertmal darüber gesprochen, damit fangen wir jetzt nicht wieder an!«) Links steht ein kleiner Sekretär. Der Gedanke ist gerade erst in ihr aufgekeimt. Sie beugt sich vor,um mitzukriegen, welchen Lauf das Gespräch nimmt. Sie sind an dem Punkt: »Lass mich in Ruhe, sage ich!« Somit hat sie noch ein bisschen Zeit, sie klappt die mittlere Platte des Sekretärs auf und sieht hinten zwei Reihen Schubladen. »Damit kannst du mich ganz bestimmt nicht rumkriegen!« In der zweiten Schublade findet sie ein paar 200-Euro-Scheine, nicht viele, sie zählt vier. Sie steckt sie ein, während sie weitersucht (»Meinst du, damit kannst du mich beeindrucken?«) und den harten Umschlag eines Passes ertastet. Sie schlägt ihn auf, verschiebt eine genauere Inspektion aber auf später. Auch den Pass steckt sie ein. Sie findet ein angefangenes Scheckheft. Bis sie beim Sofa ist und alles in die Innentasche ihrer Jacke gesteckt hat, hört sie: »Du Armer!«, dann: »Tust mir leid!«, und schlieÃlich: »Arschloch!«
Und der Hörer wird auf die Gabel geknallt. Stille. Véronique bleibt im Flur. Sophie versucht eine der Situation angemessene Miene aufzusetzen, eine Hand liegt auf ihrer Jacke.
SchlieÃlich kommt Véronique zurück ins Zimmer. Sie entschuldigt sich verlegen, versucht zu lächeln.
»Tut mir leid, Sie müssen ja â¦Â Tut mir leid â¦Â«
»Macht nichts â¦Â « und fügt hinzu: »Ich lasse Sie jetzt
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