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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Schuluntersuchung auszufragen. Ein fehlendes Schulheft von Lena bot Marie die Chance, ihre Frage im Raum stehen zu lassen, doch so schnell würde Elisabeth nicht aufgeben. Marie wusste genau, dass ihre Schwiegermutter ihren jüngsten Enkel für nicht voll entwickelt hielt. Ein Zurückgebliebener war er in Elisabeths Augen, und für solche Fälle hatte es in ihrer Generation kein Erbarmen gegeben. » Das Gesunde muss geschützt werden, nicht das Kranke « , war einer ihrer Lieblingssätze, die sie ohne Unterschied auf Kinder, Pflanzen und Tiere anzuwenden wusste.
    Ohne dass in der Familie je über Politik gesprochen wurde, wusste Marie, dass ihre Schwiegermutter den Bund Deutscher Mädels im Dorf angeführt und ihre Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus genossen hatte. » Nie mehr waren die Sommer so schön wie damals vor dem Krieg « , beharrte sie, auch wenn Xaver darauf stets mit » Schmarrn « antwortete. » Du warst halt jung damals « , meinte Xaver, » das verklärt die Erinnerung. «
    Er selbst sprach wenig über diese Zeiten, doch als ihn sein Sohn einmal fragte, wie es gewesen sei, so kurz nach der Schule in den Krieg eingezogen zu werden, hatte ihn Xaver nur lange und wortlos angestarrt. Als Paul nicht lockerließ, schleuderte ihm sein Vater ein einziges Wort zurück: » Furchtbar. « Das war alles, was sich Xaver zu seiner Soldatenzeit entlocken ließ, die immerhin vier Jahre gedauert hatte. » Furchtbar. «
    *

Zwischen den schlammfarbenen Stangen des abgeernteten Hopfenfeldes arbeiteten Paul und sein Vater daran, die Pflanzen winterfertig zu machen, bevor der große Schnee, der oft erst im Dezember einsetzte, das Land für Monate bedecken würde. Gemeinsam schnitten sie die Pflanzstöcke zurück und besserten den Aufleitdraht aus, der bei der Ernte an vielen Stellen eingerissen worden war.
    Schweigend und verbissen arbeiteten sie so vor sich hin. Paul spürte genau, dass ihn Xaver von Zeit zu Zeit von der Seite ansah, und dieses Gefühl machte ihn rasend.
    » Sag halt endlich, was du sagen musst « , platzte es schließlich aus ihm heraus.
    » Ich sag doch gar nichts « , brummte Xaver zurück.
    » Ich weiß auch so, was du denkst « , gab Paul zurück. » Aber jetzt sag ich dir mal was. In den letzten zwei Jahren haben wir so viel Geld in die Böden gesteckt. Wir liefern den besten Hopfen, den der Schenkhofer weit und breit kriegen kann. «
    Xavers Gesicht blieb undurchdringlich. Die silbrigen Bartstoppeln schimmerten um die tiefgezogenen Furchen, die das Leben in seine Haut gegraben hatte.
    » Das kann nächstes Jahr schon ganz anders aussehen « , meinte er.
    Doch so leicht war Paul nicht zu entmutigen.
    » Mit der Erntemaschine kann ich den Ertrag verzehnfachen « , erläuterte er eifrig. » Ich hab das genau kalkuliert, die Brauerei hat allen Grund mir einen Festpreis anzubieten. «
    Xaver starrte auf den Draht, der die Luft durchschnitt und vor Feuchtigkeit glänzte.
    » Gegen Wind und Wetter sind wir Bauern immer machtlos gewesen. «
    Paul schluckte seinen Ärger herunter und angelte sich eine Zigarette aus der Hosentasche. Der Wind machte das Anzünden nicht einfach, aber schließlich hatte er es geschafft und blies den Rauch in immer größer werdenden Kringeln hinaus in das weite und öde Land.
    *

Draußen war es nun endgültig dunkel geworden, und auf dem Moosbacher Hof spülten Marie und Elisabeth gemeinsam den Abwasch, während die Männer wie jeden Mittwoch zum Stammtisch gegangen waren.
    » Ich hab gehört, dass sich der Felix ganz schön angestellt hat « , hob Elisabeth an.
    » Was die Leute immer reden « , entgegnete Marie.
    So leicht würde sie sich nicht aus der Reserve locken lassen. Sie stapelte die Teller besonders langsam in den Küchenschrank und ging dann, ohne ein weiteres Wort in der Sache zu verlieren, durch die Stiege hinauf in die Kinderzimmer.
    Felix war schon eingeschlafen, die beiden Großen tobten wie immer bis zum letzten Augenblick und kletterten im Gestänge ihres Etagenbettes wie kleine Äffchen herum. Für einen Moment blieb Marie still am Bett ihres Jüngsten sitzen und beobachtete, wie sich seine Brust hob und senkte. Da lag er, ihr Jüngster, der allen Rätsel aufgab, da schlief dieses gerade mal sechs Jahre alte Kind, das mit einem Meter fünfunddreißig eher klein und mit seinen zarten Gliedmaßen ziemlich schmächtig für sein Alter war.
    Warum konnte nicht alles so einfach sein wie bei den Großen? Warum war er so anders? Nachdenklich drückte sie dem

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