Der kalte Himmel - Roman
Alex. Kerzengerade stand sie im Raum und sah die junge Hopfenbäuerin an. » Sie werden das ganz wunderbar machen. «
Für einen Moment stand Marie nur überwältigt da. Alex lächelte und drückte ihr ermutigend die Hände.
*
Als Paul und Xaver am nächsten Mittag vom Feld nach Hause kamen, wartete zu ihrer Überraschung Rektor Meyer in der Küchenstube.
» Ja, Herr Rektor « , begrüßte ihn Paul. » Haben unsere Großen etwas angestellt? «
» Aber nein « , lächelte der Rektor verbindlich. » Ich bin wegen dem Felix hier, da gibt’s was, was ich gern mit euch besprechen möchte. «
Elisabeth, die gerade dabei war, einen Hefezopf zu kneten, wusch sich die Hände und setzte sich erwartungsvoll mit an den Tisch. Paul warf Marie einen fragenden Blick zu, doch seine Frau wich ihm aus.
In Marie arbeitete es, aber sie zwang sich, ruhig zu bleiben, und lächelte den Rektor an. » Ein Bier, Herr Rektor? «
» Da sag ich nicht nein « , antwortete der, ließ sich von Marie einschenken und blickte sichtlich bemüht in die Runde. Auch Xaver hatte sich schwer auf seinen Stuhl fallen lassen und saß dem Rektor nun direkt gegenüber.
» Ich will es kurz machen « , sagte der Rektor. » Unser Amtsarzt hat mir mitgeteilt, dass er den Felix nicht für schulfähig hält. Nicht im üblichen Sinne, er meint, der Junge sei einem normalen Unterricht nicht gewachsen. Er hat mir empfohlen, ihn nach Sonnroth zu schicken. «
» Sie wollen ihn in die Sonderschule abschieben? « , rief Marie empört.
» Marie, bitte! « , warf Paul ein. » Jetzt hör dem Rektor doch erst mal zu. «
» Der Amtsarzt glaubt, dass sich der Felix im normalen Unterricht nur quälen würde « , ergänzte der Rektor. » Wir sollten es ihm nicht zu schwer machen. «
» Aber der Felix ist kein Depp « , entgegnete Marie energisch. » Er rechnet besser als ich, er … «
» Das mag ja alles sein, Marie « , warf der Rektor ein. » Aber wir sollten uns hier doch nicht von unseren Gefühlen, sondern von unserem Verstand leiten lassen. «
» Aber er kann wirklich rechnen « , sagte Marie, und ihre Stimme zitterte unmerklich.
Hilfesuchend blickte sie in die Runde. Von Elisabeth war in dieser Sache nichts zu erwarten, Paul sah in den Ausführungen des Rektors seine eigenen Zweifel bestätigt, und Xaver verbarg sich hinter den Rauchwolken seiner Pfeife. Marie überkam das Gefühl, vor einem Abgrund zu stehen.
» Geben Sie ihm eine Chance! « , sagte sie leise. Für einen Moment war es still am Tisch.
» Eine Chance hat ein jeder verdient « , brummte Xaver und sah den Rektor über den Tisch hinweg unvermittelt an.
Der hob nun besänftigend beide Arme. » Wo du recht hast, hast du recht, Xaver « , entgegnete er ohne wirkliche Überzeugung. » Eine Chance hat ein jeder verdient. «
Von den anderen unbemerkt schloss Marie für wenige Sekunden die Augen. Danke, dachte sie, danke. Diese Schlacht hatte sie gewonnen, und doch spürte sie genau, dass hier gerade ein Kampf begonnen hatte, der noch lange nicht zu Ende war.
*
» Warum hast du mir eigentlich nicht erzählt, dass der Felix beim Amtsarzt Probleme gemacht hat? « , fragte Paul, als er wenig später mit Marie in der Küche allein war.
Marie spürte, wie sie errötete.
» War halb so schlimm « , wiegelte sie rasch ab. » Kennst ihn ja, bei Fremden reagiert er leicht panisch. «
» Du hast doch den Rektor gehört! Wie stellst du dir das denn vor? «
» Das wird schon « , sagte Marie. » Das schafft er schon. «
Paul schüttelte den Kopf. » Das sehen die Leute im Dorf aber ganz anders. Was glaubst du, was ich mir da anhören muss. «
» Die Leute! Seit wann gibst du etwas auf dieses Geschwätz, Paul. Das hat uns doch früher auch nicht interessiert « , entgegnete Marie und kippte das Küchenfenster, um den Essensgeruch nach draußen zu lassen.
Sie sah auf den Hof hinaus. Draußen schien die Sonne, es war ein klarer kalter Tag im Spätherbst. Lena und Max spielten im Nachmittagslicht vor der Scheune, und sogar Felix hatte sich zu seinen Geschwistern dazugesellt. Er saß neben Max auf einer kleinen Bank und sah vage in Richtung seiner älteren Schwester. Die deutete mit einem Stock auf die Holzwand hinter sich. Lenas Stimme war nun deutlich zu hören.
» Der Felix soll mitspielen « , sagte sie.
» Du machst Witze « , antwortete Max.
Lena sah das anders. » Wieso? Der muss doch jetzt auch in die Schule « , antwortete sie.
In der Küche war Paul hinter seine Frau getreten. Marie lächelte
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