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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Augen kaum von der jungen Frau lassen. Die ruhige Selbstverständlichkeit, mit der sie hier in der Kirche ihrer Aufgabe nachging, beeindruckte sie. Noch nie hatte sie eine Frau gesehen, deren Arbeit sie so ins Zentrum des öffentlichen Interesses rückte.
    » Sie haben eine wunderschöne Stimme. Wo haben Sie denn so singen gelernt? « , fragte die Organistin nach der Chorstunde neugierig.
    » Ach « , sagte Marie verlegen. » Das liegt bei uns in der Familie. «
    » Und du, kleiner Mann « , wandte sich Alex Brunner an Felix, der inmitten der die Treppe herabdrängenden Sänger auf einen leeren Fleck auf den Stufen zu starren schien: » Du magst auch Musik, was? «
    Alex streckte Felix die Hand hin, was dieser aber übersah.
    » Macht ja nichts « , meinte Alex unbekümmert und strich ihm sacht über den Kopf.
    Leicht wie eine Feder musste ihre Bewegung gewesen sein, denn Felix drehte nicht wie sonst bei solchen Bewegungen seinen Kopf zur Seite, sondern blieb vertrauensvoll bei den Frauen stehen.
    » Besuchen Sie mich doch mal«, meinte die Organistin. » Vielleicht gleich heute Abend. Ich würde Ihnen gerne etwas zeigen. «
    » Ja gern « , antwortete Marie überrascht.
    *

Draußen dämmerte es bereits, als Marie wie jeden Tag die Hausaufgaben ihrer beiden Großen kontrollierte. Vor allem auf Lena musste sie immer ein wachsames Auge haben. Sie träumte gern mit offenen Augen vor sich hin, was so manchen Flüchtigkeitsfehler nach sich zog. Marie strich drei Fehler mit Bleistift an.
    » Das machst du jetzt noch schön fertig, dann geht’s ab ins Bett « , meinte sie.
    Felix saß vor dem Radio und notierte fleißig die Wetterdaten für die Region, die wie jeden Abend um sechs Uhr verlesen wurden. Als der Nachrichtensprecher geendet hatte, ging Marie vor ihrem Jüngsten in die Hocke. Sanft griff sie nach seiner rechten Hand und legte sie auf die ihre.
    » Felix, wenn man einen Fremden trifft, gibt man ihm schön die Hand. Und dann sagst du, ich bin der Felix Moosbacher. «
    Felix’ Blick ging ins Leere, er sah seine Mutter nicht an. Wie so oft in solchen Momenten fixierte er einen imaginären Punkt auf dem Fußboden. Und doch spürte Marie genau, dass er sie gehört, ja, dass er sie verstanden hatte.
    *

Die hereinbrechende Dunkelheit hatte sich wie ein schwarzes Tuch über das Dorf gelegt, nur in den Wohnküchen brannten vereinzelte Lichter, die anderen Stuben blieben meist völlig dunkel. Als Marie endlich die Wohnung von Alex Brunner erreichte, leuchteten ihr die Fenster wie farbige Laternen entgegen. Einige bunte Tücher dienten der Kantorin als Ersatz für Vorhänge. Staunend registrierte Marie beim Betreten der Wohnung, dass auch im Inneren verschiedene Stoffe locker über den Tisch und die Sessel drapiert waren. Zahlreiche brennende Kerzen tauchten die Räume in ein einladendes Licht. Auf dem Boden lagen Schallplatten vor einem Regal, die eine zeigte einen dunkelhäutigen Mann mit einem riesigen Haarschopf. » Jimi Hendrix « , las Marie. Sie hatte keine Ahnung, wer das war.
    Das warme Licht veränderte alles. Noch nie hatte Marie Räume betreten, in denen man sich so einfach wohlfühlen konnte. In einem Bauernhaus wurden die Dinge ihren Aufgaben entsprechend aufgestellt, für romantische Stimmungen gab es da keinen Platz. Alex lächelte, als sie sah, mit welcher Neugierde sich Marie umsah.
    » Haben Sie Lust auf einen Tee? « , fragte sie und reichte Marie zur Begrüßung einen rotblauen Keramikbecher, aus dem es nach frischer Minze und Orangenblüten duftete.
    Wie fremd dieser Duft war. Wie wohltuend. Nachdem Marie ihren ersten Schluck genommen hatte, hielt sie ihre Tasse weiter umklammert und atmete den frischen Duft tief ein. Alex stellte ihre Tasse auf den nächsten freien Holzstuhl, griff in ihr Bücherregal und zog ein Notenheft heraus.
    » Das ist es, was ich Ihnen zeigen wollte « , sagte sie lächelnd. » Maria durch den Dornwald ging, ein altes Volkslied aus Thüringen. Jetzt hab ich Sie gar nicht gefragt, ob Sie Noten lesen können. «
    » Natürlich kann ich Noten lesen « , antwortete Marie mit sichtbarem Stolz, » und meinen Kindern hab ich es auch gezeigt. Alle in meiner Familie können Noten lesen. «
    » Na prima « , antwortete Alex, » ich wollte Sie nämlich fragen, ob Sie die Strophen eins und zwei als Solo singen können. «
    » Ich weiß nicht « , antwortete Marie verlegen. » Ein Solo? Das hab ich noch nie gemacht. «
    » Aber Sie haben den schönsten Sopran, Marie « , entgegnete

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