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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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dachte Marie. Er ist wirklich in Berlin angekommen.
    » Marie? « Alex’ Stimme kam aus der Küche. » Marie? Telefon für dich. «
    Sie musste erst die lange Schnur des grauen Telefons entwirren, um den Apparat in eine ruhige Ecke der Wohnung mitzunehmen.
    » Marie « , hörte sie ihren Mann am anderen Ende der Leitung sagen, » Marie, die Klinik hat eine Rechnung geschickt. Eintausenddreihundert Mark. Eine Woche hab ich gesagt. Ihr seid jetzt schon über einen Monat da, und die Klinik hat nichts Besseres zu tun, als eine Rechnung zu schicken. Und ich weiß noch nicht einmal, für was ich da überhaupt zahle. «
    » Paul « , unterbrach Marie ihn hastig, » Paul, heute hat der Felix in der Behandlung einen Riesenfortschritt gemacht. «
    Sein Atem klang schwer, sie hörte, wie er sich am anderen Ende eine Zigarette anzündete.
    » Marie « , sagte er schließlich, » kannst du mir bitte sagen, woher ich das ganze Geld nehmen soll? «
    Marie schloss die Augen. Sah ihn vor sich, wie er hilflos und verzweifelt in der Ecke der Bauernküche stand. Wahrscheinlich starrte er beim Sprechen zum Hof hinaus, nur um seiner Mutter nicht in die Augen sehen zu müssen. Denn bestimmt hantierte Elisabeth um ihn herum, ganz sicher würde sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, bei dem Telefonat nach Berlin Mäuschen zu spielen. Eine Schwiegertochter, die das Geld in der Stadt mit vollen Händen aus dem Fenster warf, na bravo, das war doch was …
    Marie wusste, dass sie ungerecht war. Elisabeth versorgte ihre beiden Großen, die ganze aufwändige Hausarbeit blieb an ihr hängen, es war ihr gutes Recht zu erfahren, wann ihre Schwiegertochter wieder nach Hause kommen würde.
    » Das ist so unglaublich viel Geld, was wir für den Buben ausgeben, das geht so nicht « , schimpfte Paul. » Der Felix und du in Berlin, der Rest da herunten, das geht so nicht, ich meine, wir sind doch eine Familie! «
    Ein Knall. Dann Stille. Paul hatte einfach aufgelegt. Das Gespräch war zu Ende.
    Marie wusste, dass sie handeln musste. Dass ihr keine Wahl mehr blieb. Sie griff nach ihrem Mantel, der an einem Haken hing.
    » Du, ich muss noch mal weg « , rief sie der verblüfften Alex zu. » Ich erkläre es dir später. «
    *

Es dämmerte bereits, als Marie den Bus in Richtung Kurfürstendamm bestieg. Ein erster Hauch von Frühling lag in der Luft, doch Marie spürte nichts davon. Von der Haltestelle aus musste sie nur noch wenige Meter in eine Seitenstraße gehen, dann hatte sie ihr Ziel erreicht. In roten Neonbuchstaben warb die Paradieso Bar um ihre Kundschaft. Es war etwa acht Uhr am Abend, eigentlich zu früh für einen Club. Der Mann, der sie vor einigen Wochen an das Kudamm-Eck vermittelt hatte, saß am Tresen und sah einige Abrechnungen durch.
    » Marie « , erinnerte er sich sofort an ihren Vornamen, als sie vor ihm stand. » Ich heiße übrigens Wolf « , lächelte er, ohne ihr die Hand zu reichen.
    » Sie haben gesagt, ich könnte hier gutes Geld verdienen « , sagte Marie, ohne sein Lächeln zu erwidern.
    Ein letzter prüfender Blick von seiner Seite. » Jaaa … « , antwortete er gedehnt.
    » Ich sag es Ihnen, wie es ist « , erwiderte sie rasch. » Ich habe eine Familie, die ich über alles liebe. Ich bin hier in Berlin, weil mein Sohn eine psychische Störung hat. Für die keine Krankenkasse zahlt. Deshalb muss ich Geld verdienen, viel Geld. Damit es ihm wieder besser geht. «
    Wolf hatte sich schon nach den ersten Worten von ihr weggedreht und starrte zur Bar hinüber. Verschonen Sie mich mit Ihren Geschichten, hallte die längst verdrängte Stimme der Pensionswirtin in Maries Kopf. Bloß keine Geschichten. Das schien das Überlebensmotto dieser Stadt zu sein.
    » Ich bin kein Samariter « , sagte er schließlich und drehte sich langsam wieder zu ihr um. » Aber Sie kriegen Ihre Chance. Sie können hier so viel Geld verdienen, wie Sie brauchen « , konstatierte er nüchtern. Ein spöttisches Lächeln überzog sein Gesicht. » Ihre Courage gefällt mir « , grinste er. » Wirklich, das mag ich. «
    Marie wusste nicht, wohin sie schauen sollte. Wusste nicht, wohin mit ihrer Verlegenheit. Alles, was sie wusste, war, dass Paul das hier niemals erfahren durfte.
    *

Während der letzten Märzwoche war der Schnee auch in der Hollertau fast vollständig geschmolzen. In seiner abgewetzten Arbeitshose und seinem ausgeleierten Pullover saß Paul vor seinem alten Schulfreund Otto in der Bankfiliale. Die Zeit für die Sonntagsanzüge war

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