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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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normale Junge es auch tun würde, beobachtete er neugierig, wie die Frühlingssonne ein besonderes Lichtspiel an den Wasserkaskaden entzündet hatte, die als architektonische Besonderheit an der Außenmauer herunterliefen und in einem Wasserbecken im Erdgeschoss mündeten.
    » Die Wohngemeinschaft scheint Felix gutzutun « , sagte Niklas vorsichtig.
    » Ja « , lächelte Marie, » die Kinder dort sind toll. Die nehmen den Felix so, wie er ist. «
    » Er reagiert auch viel entspannter. Das kommt meiner Analyse zugute « , erwiderte Niklas und zündete sich eine Zigarette an. » Er zeigt immer klarer, was er will und was nicht. «
    Jetzt strahlte Marie den Arzt unumwunden an. Jede Spur von Müdigkeit war aus ihrem Gesicht verschwunden, sie leuchtete geradezu von innen.
    Wie schön sie ist, dachte Niklas, warum ist mir das nie richtig aufgefallen? Und das Schönste an ihr ist, dass sie es nicht einmal weiß. Er senkte seinen Blick, räusperte sich und versuchte, die richtigen Worte zu finden.
    » Felix artikuliert nun viel freier « , erläuterte er betont sachlich. » Er zeigt längst nicht mehr so viele Blockaden wie am Anfang. «
    Alles in Marie jubilierte, fast hätte sie geschrien vor Freude. » Meinen Sie « , brach es atemlos aus ihr hervor, » meinen Sie, er wird wieder ganz gesund? «
    Niklas zuckte zusammen wie bei einem Stromschlag.
    » Nein. «
    Wie eine Ohrfeige knallte das Wort durch den Raum. Fassungslos starrte Marie den Arzt an.
    » Nein? «
    Der Arzt schüttelte bedauernd den Kopf.
    » Was soll das heißen? « Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    » Nicht so, wie Sie hoffen. «
    Alles in Marie bäumte sich auf, wollte gegen ihn gehen.
    » Was wissen Sie von meinen Hoffnungen? « , sagte sie rau. » Ich bin hierhergekommen, weil ich gesehen habe, dass mein Junge kein Dummkopf ist « , fuhr sie mit brüchiger Stimme fort. » Kein Blödmann. Kein Verrückter. Kein Dorfdepp. Ja, der Felix ist anders. Er macht Dinge, die Kinder in seinem Alter sonst nicht so machen. Er kann sich oft stundenlang mit einem Gegenstand beschäftigen … «
    Niklas biss sich auf die Lippen. Verdammt, das wusste er doch! Und sie wusste genau, dass er es wusste. Dass er ihren Sohn inzwischen auf eine Art besser kannte als dessen eigener Vater. Was erwartete sie? Dass er sie belog?
    » Und es gibt Dinge « , fuhr sie ungerührt fort, » die er besser kann als die anderen. Wie sein schnelles Rechnen zum Beispiel. Ich hab das Gefühl, inzwischen rechnet er fast nur noch. «
    Jetzt sprangen die Tränen aus ihren Augen. Zornig wischte sie sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Er wollte ihr ein Taschentuch reichen, doch sie stieß ihn zurück.
    » Warum glauben Sie mir nicht? « , rief sie verzweifelt.
    » Für eine genaue Diagnose zählen vor allem Fakten « , sagte er erschöpft. Diese Frau machte ihn fertig.
    » Aber man hat doch ein Gefühl! « , schrie es aus ihr heraus.
    » Ja? « Scharf wie ein Messer schnitt seine Stimme in den Raum hinein.
    Marie erstarrte.
    » Ich habe ein Gefühl « , sagte er gedämpft. » Aber ich kann mich nicht darauf verlassen. Ich darf mich nicht darauf verlassen! «
    Marie war aufgestanden und hatte ihm den Rücken zugedreht. Stand einfach da und starrte zu Felix hinüber, den sie durch eine Nebelwand aus Tränen kaum noch sehen konnte.
    » Aber ich « , sagte sie unerbittlich. » Weil es das Einzige ist, auf das ich mich immer verlassen konnte. «
    Sie packte ihre Jacke und griff nach der Hand ihres Sohnes, der von den lauten Stimmen der Erwachsenen angelockt, in die Tür zum Besprechungszimmer getreten war.
    » Komm, Felix, wir gehen « , sagte sie müde.
    » Marie! « Niklas war aufgesprungen und lief ihr bis in den Flur nach. Ein rascher Griff nach ihrem Ärmel, er hielt sie tatsächlich fest. » Marie, so warten Sie doch. «
    Ein Blick von ihr, und er wusste, dass er es verdorben hatte. Ihre Hoffnung hatte ihm Flügel verliehen, doch er war zu hoch geflogen und hatte es versäumt, sie mit der Realität in Verbindung zu halten. Auf diesen Absturz war sie nicht vorbereitet gewesen.
    » Ich bin so enttäuscht « , sagte sie leise, drehte sich um und ließ ihn stehen.
    Die Abteilungstür schlug zu. Niklas blieb aufgewühlt zurück. Langsam knöpfte er seinen weißen Kittel auf. Er brauchte eine Pause. Dringend. Er musste nachdenken.
    *

Marie drehte ihren Schlüssel zur Wohngemeinschaft um und öffnete müde die Tür. Sie wich den Blicken der anderen aus, lief in die Küche und brühte sich einen

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