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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Verzweiflung. Mit dem Wissen, dass man diesen einen Weg gehen muss, diesen einen und sich nicht umdrehen darf. Vorsichtig stützte sie ihren Arm ab. Das, was da mit ihr passierte, ging keinen etwas an. Keiner sollte das sehen, auch Niklas nicht.
    » Mich kotzt das an! Versteht ihr das nicht? « , regte der sich unterdessen weiter auf.
    Katja sah ihre Kollegen ratlos an. Da stimmte etwas nicht, da war etwas völlig außer Kontrolle geraten, was sie nicht begreifen konnte. Niklas beruhigte sich nicht, weil er sich nicht beruhigen wollte.
    » Könnte es sein, dass du in der Sache Felix Moosbacher die Distanz verloren hast? « , fragte sie zornig.
    » Ganz im Gegenteil « , erwiderte Niklas heftig. » Mir ist klar geworden, um was es geht. Ich habe mich für die andere Seite entschieden. «
    Mathias brach in hysterisches Gelächter aus. » Die andere Seite … « , lallte er.
    Katjas ebenmäßige Gesichtszüge erstarrten. Ihre Augen weiteten sich. Vergeblich suchte sie Niklas’ Blick. Doch der ließ sich nicht mehr aufhalten.
    » Dieses ganze Götter-in-Weiß-Gehabe und die Methoden von Leyendecker und deinem Vater werde ich nicht länger unterstützen. Ich habe ein Komitee gegen die Diskriminierung psychisch Kranker ins Leben gerufen. Und für dieses Komitee werde ich Ende der Woche auf dem Ärztekongress hier in Berlin eine Rede halten, die neue Grundlagen für den Umgang mit Patienten fordert. «
    Jetzt war es raus. Und inmitten von all den Stimmen, der Musik und dem Gläserklirren schien es eine Sekunde lang ganz still.
    » Aber für deine Betreuung im Studium war mein Vater gut genug, oder was? Wie oft hast du ihn um Rat gefragt! «
    » Und dafür werde ich ihm auch immer dankbar sein « , erklärte Niklas. » Aber ich bin kein Student mehr. Ich habe meine eigene Haltung gefunden. Ich muss meinen eigenen Weg gehen. «
    Katja starrte ihren Verlobten fassungslos an. » Du weißt, dass das den Bruch zwischen meiner Familie und dir bedeutet « , sagte sie leise.
    » Du meinst, zwischen dir und mir « , erwiderte Niklas.
    Marie spürte die Anspannung dieser Sätze im Rücken. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, da hörte sie hinter sich Katjas Stuhl poltern und sah, wie Niklas’ mühsam um Beherrschung ringende Verlobte den Saal mit hocherhobenem Kopf verließ. Mathias klatschte ironisch Beifall.
    *

Als Marie gegen zwei Uhr aus der Bar trat, stand Niklas mit dem Rücken zur Tür auf dem regennassen Asphalt und rauchte.
    » Ist es nicht kalt? « , fragte sie ihn.
    Langsam drehte er sich um.
    » Ich hole mir gleich meinen Mantel « , sagte er leichthin.
    Marie schluckte. Sie musste all ihren Mut zusammennehmen. » Ihre Entscheidung vorhin, hat die was mit Felix und mir zu tun? «
    Beide sahen sich an. Er kämpfte mit sich.
    » Nicht direkt « , sagte er leise.
    » Und indirekt? « , fragte sie ihn.
    Niklas antwortete nicht.
    *

Er folgte ihr, als sie die Tür zur Wohngemeinschaft aufschloss. Um Felix nicht zu wecken, ging sie mit ihm in ein leer stehendes Zimmer, in dem sich außer einem abgeschabten Perserteppich und einem alten Plüschsessel keine weiteren Möbel befanden. Sie hatte ihren Mantel achtlos über den Sessel gelegt und suchte nun nach Gläsern. Auch Niklas zog seinen Mantel aus und legte ihn auf den ihren. Sie goss Rotwein ein.
    » Es gibt so vieles, was ich nicht weiß « , gestand er.
    Sie setzte sich neben ihn und reichte ihm ein Glas.
    » Manchmal hab ich Angst, dass man mir nicht genug Zeit lässt, es zu erforschen. «
    Marie legte ihre warme Hand auf seine kühle Stirn. » Nicht so viel denken « , sagte sie leise.
    Als er sie küsste, wusste sie, dass es kein Zurück mehr gab. Wie Ertrinkende klammerten sie sich aneinander, ein jeder im Kampf mit sich selbst auf der Suche nach Erlösung.
    » Ich beneide dich um dein Gefühl « , flüsterte er.
    Alles, was nun geschah, war wie selbstverständlich. Von dem Moment an, in dem er sie auf den Boden zog, brauchten sie keine Worte mehr. Erst in dem Augenblick, als er in sie eindrang, wurde sie sich ihrer Nacktheit bewusst, doch da spielte es schon keine Rolle mehr. Sie liebten sich ohne Angst und ohne Scheu. Ja, dachte sie. Ja.
    *

Von ihrem Fenster aus sah sie am frühen Morgen, wie er sich unten auf der Straße die erste Zigarette anzündete. Sie beobachtete, wie er mit gesenktem Kopf die Straße überquerte und stellte sich vor, wie er übermüdet und unrasiert die Klinik betreten würde. In nur zwei Stunden würden sie einander wiedersehen. Sie hatte mit

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