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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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haben wir einen großen Verlust erlitten, einen – ich scheue mich nicht, dieses Wort zu gebrauchen – unersetzlichen und fatalen Verlust für unser leidgeprüftes Land, dessen Kultur nun ihrem Schicksal überlassen ist. . .«
    Katja seufzte verstohlen. Sie mochte keine Beerdigungen, keine Friedhöfe, Trauermärsche, Tränen, Gräber, in die leise rumpelnd Särge hinabgelassen wurden, keine feuchte Friedhofserde, die man auf den schimmernden Deckel aus Eichenholz hinunterwerfen musste . . .
    Hierher nach Wagankowo, zur Beerdigung von Kirill Basarow, war Katja ausschließlich Wadim Krawtschenko zuliebe gekommen. Er hatte sie vorgewarnt: »Es ist besser, wenn wir dort als richtiges Ehepaar auftreten. Meinem Vater liegt sehr daran. . .« Und er hatte dabei gelächelt. Katja hatte dieses selbstzufriedene Besitzerlächeln unangenehm berührt. Nein, Wadim, sagte sie sich, trotz all deines äußerlichen Schliffs bist du kein wahrer Gentleman. Und schrecklich eingebildet bist du auch. Manchmal war Katja zutiefst erstaunt: Wie konnte es bei all ihrer Verschiedenheit nur sein, dass sie schon so viele Jahre mit Wadim zusammen war? Denn im Grunde waren sie tatsächlich fast schon wie ein altes Ehepaar.
    Katja kannte Wadim Krawtschenko bereits sehr lange – so lange, wie sie auch Sergej Meschtscherski schon kannte. Einerseits gefiel es Katja, dass sie alle drei schon seit ihrer Studienzeit an der Lumumba-Universität dicke Freunde waren, andererseits ärgerte es sie, machte sie manchmal sogar zornig. Diese Freundschaft rief zu viele widersprüchliche Gefühle in ihr hervor.
    Vor zwei Jahren beispielsweise war sie beinahe schon entschlossen gewesen, ihre Wahl zu treffen: Sergej Meschtscherski hatte ihr im Grunde des Herzens immer besser gefallen als Wadim, trotz seiner eher geringen Körpergröße und seiner schmächtigen Gestalt. In ihren Träumen sah sie bereits, wie dieser gebildete, schüchterne und gutherzige Mann ihr den blitzenden Goldring an den Finger steckte. Katja gab ihm sogar zu verstehen, dass sie nur noch auf ein klares Wort von ihm wartete – aber nichts geschah.
    Erst ein Jahr später erfuhr sie von dem »Männergespräch« am Tresen zwischen Sergej Meschtscherski und Wadim Krawtschenko. Genauer gesagt, geredet hatte nur Wadim; Sergej hatte die meiste Zeit geschwiegen. Nein, sie hatten sich nicht zu Geschmacklosigkeiten verstiegen, hatten keine Streichhölzer gezogen, keine Münze geworfen und die Entscheidung dem Zufall überlassen. Sie hatten bloß miteinander geredet wie gute Kumpel. Und hatten alles selbst entschieden, untereinander, und sich nicht einmal dafür interessiert, ob Katja mit ihrer Entscheidung einverstanden war.
    Nach diesem denkwürdigen Abend verschwand Sergej für lange Zeit aus Katjas Blickfeld. Ohne Angabe von Gründen. Doch irgendwann tauchte er wieder auf. Natürlich wäre er bereit gewesen, ihr zu erklären, warum er zurückgekehrt war. Nur hatte sie mittlerweile selbst die Lust verloren, Sergej danach zu fragen. Inzwischen nämlich hatte Wadim Krawtschenko sich »ernsthaft und für lange Zeit«, wie er sagte, in ihrem Leben eingenistet und schlug wie ein Pfau sein Rad, charmant und zärtlich. Man nannte sie »ein reizendes Paar«. Sergej Meschtscherski musste sich mit der altmodischen Rolle des Hausfreundes begnügen.
    Jetzt, als Katja in der schweigenden Trauergemeinde auf dem Friedhof stand, spürte sie wie immer die Nähe Wadims und Sergejs. Sie lauschte dem Redner und war insgeheim entzückt: Was für ein samtener, einfühlsamer Bariton, was für ein erlesenes Auftreten! Bestimmt ein Schauspieler. Flüsternd erkundigte sie sich bei Wadim, wer der Mann sei. Wie sich herausstellte, war er der frühere Direktor des »Zentrums für Kunstschaffende«, und er hatte offensichtlich keine Eile, die Rednertribüne zu verlassen. Er pries den Verstorbenen wortgewaltig als »Lehrer, Meister und unvergleichlichen Künstler«. Wadim raunte Katja zu, man erwarte zur Beerdigung auch eine Regierungsdelegation, die aber aufgehalten worden sei. Deshalb zog man jetzt sämtliche Reden in die Länge, damit die Zeremonie nicht schon vor der Ankunft der hohen Gäste zu Ende war.
    Plötzlich rauschte ein Seufzer der Erleichterung wie ein Windstoß durch die Menge: Offenbar war die Delegation eingetroffen. Dann aber stellte sich heraus, dass es sich bloß um eine Abordnung des Verbandes der Filmschaffenden und um die Jury des Wettbewerbs »Kinotaurus« handelte. Irgendwelche völlig unbekannten Leute

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