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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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an.
    »Gesund und munter«, meldete er sich mit der vereinbarten Parole. »Und ich komme nicht mit leeren Taschen, sondern bringe ein nettes kleines Geschenk mit.«
    »Komm zurück, Renat«, hörte er Kolossows müde, mürrische Stimme. »Hier bei uns steht es Schach und Matt.«
    Und er seufzte so tief, als wäre eine unerträgliche Last auf ihn gerollt.
    »Heute Morgen ist in Rasdolsk eine neue Leiche entdeckt worden. Die gleichen Begleitumstände, verstehst du? Die gleiche Handschrift. . . Ich fahre jetzt zum Fundort. Sobald du zurück bist, ruf mich auf dem Handy an.«
    Chalilow legte schweigend auf. Erst jetzt fühlte er sich zu Tode erschöpft.

11 Das Grab in der Schlucht
    Im engen, schäbigen Büro der Kriminalmiliz von Rasdolsk saßen Katja und Kolossow einander gegenüber. Draußen, vor dem mit einem Gitter gesicherten Fenster, zog die Dämmerung herauf. Von der Straße drang der Lärm des Bahnhofsmarkts ins Innere, das Tuten der Vorortzüge, die Schritte von Passanten, die nach Hause eilten.
    Der Wasserkocher begann zu brodeln. Kolossow zog den Stecker aus der Dose und goss das Wasser direkt in die Teetassen. Dann griff er unter den Tisch und holte eine angebrochene Flasche Kognak hervor. Katja wedelte abwehrend mit der Hand und zog ihre Tasse weg, woraufhin Kolossow nur sich selbst einen ordentlichen Schluck einschenkte. Katja betrachtete zum x-ten Mal melancholisch das Büro. Die letzten zwei Tage und Nächte war diese schäbige Höhle für den Chef der Mordkommission Wohnung und Stabsquartier zugleich gewesen.
    So war also nun diese verrückte, abenteuerliche »Operation Michailow« praktisch ergebnislos geendet. Zähneknirschend dachte Kolossow an den ganzen unnützen Theaterdonner: den Sturm auf das Restaurant »Bei Onkel Senja«, die wilde Jagd durch Moskau, als die Beschatter berichteten, dass Michailow zum Kiewer Bahnhof fahre und Chalilow schnellstens zum richtigen Zug müsse, und wie anschließend die gesamte Mordkommission wie auf einer Bombe mit Zeitzünder saß und auf Nachrichten wartete. Zwar war Chalilow ein erfahrener Mitarbeiter, aber auch Brillanten-Goscha konnte man nichts vormachen. Und man wusste nicht, ob er bewaffnet war oder nicht.
    Als Chalilow endlich aus Kaluga anrief, ahnte Kolossow schon, was Renat ihm sagen würde. Am Abend traf Chalilow dann persönlich in Rasdolsk ein, gerade als dort die Leiche geborgen wurde. Er konnte seine Enttäuschung nicht verhehlen – die von ihm so mühevoll in Erfahrung gebrachten Neuigkeiten kamen offensichtlich zu spät.
    Kolossow lauschte seinem Bericht.
    »Dass ich der Hai bin, hat Goscha sofort geglaubt. Ich hab ihm ganz zivilisiert die Knarre zwischen die Zähne gedrückt. Er hat sofort versucht, mich zu belabern. Ein gerissener Hund ist das, und gute Nerven hat er auch. Sogar in einer solchen Situation – er hat ja gemerkt, ich bin drogensüchtig und kann jeden Moment ausrasten – , sogar in einer solchen Situation hat er mit mir gesprochen wie ein gütiger Papa mit seinem psychisch gestörten Söhnchen. Ungefähr zwei Stunden haben wir so geschwafelt. Ich glaube nicht, dass seine Leute Grant beseitigt haben. Michailow war ehrlich erstaunt, verstehst du? Er hat keine hochheiligen Schwüre abgelegt – ihm war klar, dass ich in dieser Situation keinem Schwur geglaubt hätte. Nein, er hat ernsthaft überlegt und hat auch mich gebeten, selber nachzudenken, nichts Übereiltes zu tun. Und was Sladkich betrifft. . . Da hat er sich sofort erboten, mir das restliche Geld als dem gesetzlichen Erben Antipows ‹ auszuzahlen.«
    Kolossow hörte schweigend zu. Er brachte es einfach nicht übers Herz, Renat mitzuteilen, dass das größte Rätsel schon längst mit viel weniger Aufwand an Kraft und Nerven gelöst worden war.
    Zwei neue Tatverdächtige waren aufgetaucht. Kostik Listow und sein jüngerer Bruder Lenja. Die Brüder stammten aus einer kinderreichen Familie im Industriegebiet von Rasdolsk. Die Mutter war Alkoholikerin, der Stiefvater Invalide. Sie lebten schlecht und mussten oft hungern: Die Mutter, die als Hausmeisterin in einer Boilerfabrik arbeitete, vertrank regelmäßig alles Geld – sowohl ihren Lohn als auch die erbärmliche Sozialhilfe. Die beiden Brüder, achtzehn und fünfzehn Jahre alt, trieben sich von morgens bis abends in der Stadt und der Umgebung herum. Mal sammelten sie am Bahnhof Flaschen, mal fegten sie für einen symbolischen Lohn den Bürgersteig vor den Verkaufsbuden, mal gingen sie durch die Vorortzüge und

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