Der Kalte Kuss Des Todes
steht, sollte man dessen Kräfte nie für sich selbst einsetzen, das wäre eine ganz schlechte Idee. Dämonen führen ganz genaue Profit-Verlust-Sündenlisten; es wäre unklug, sich persönlich bereichern zu wollen. Ich kann dir also versichern, dass dein Körper in Sicherheit ist. Du wirst ihn wie immer bei Sonnenaufgang zurückerhalten.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und trank in langen Zügen aus der Flasche, wobei ihre Halsmuskeln arbeiteten, ein Anblick, der mich schrecklich ablenkte.
»Aber Elizabetta möchte wirklich sehr, dass du ihr Angebot annimmst«, fuhr sie fort. »Und da ich ihr meine Hilfe angeboten habe, gebe ich dir jetzt etwas, das deine Meinung ändern könnte.«
Sie spitzte die Lippen und warf mir eine Kusshand zu. Ein feiner schwarzer Nebel stieg auf und waberte auf mich zu,
wobei sich die Tröpfchen zu dicken schwarzen Kugeln verdickten. Sie klatschten mir ins Gesicht wie zäher schwarzer Teer. Ich schrie auf. Meine Haut warf von der Hitze Blasen, die kochende Flüssigkeit drang in meine Augen, verbrannte meine Augäpfel, sickerte in meinen Mund und meine Kehle hinab, breitete sich wie brennende Lava in meinem ganzen Körper aus.
Ich konnte einen Moment lang nicht denken, so entsetzt war ich. Dann wurde mir schlagartig klar, was sie mit mir gemacht hatte.
Sie hatte mich mit Dämonensäure geschwängert.
Schon fühlte ich die winzigen Dämonenembryos in meinem Körper herumkrabbeln; mit ihren spitzen Klauen, Zähnen und dem gezackten Schwanz drangen sie in meine Eingeweide, in mein Gehirn, meine Knochen … wie winzige nadelscharfe Spitzen durchbohrten sie meinen Körper.
Dämonenembryos verzehren ihren Wirt und sich gegenseitig, nur der Stärkste überlebt. Der klassische Fall. Immerhin war’s nicht wie bei Rosemarys Baby ein langsames, neunmonatiges Anwachsen des Bauchs, bis schließlich der Antichrist hervorkommt. In meinem Fall handelte es sich um achtundvierzig Stunden Qual, dann würde ein einziger, fertiger Dämon zur Welt kommen. Wenn ich – besser gesagt, Rosa – Glück hatte.
Ich starrte sie sprachlos vor Entsetzen an.
»Jetzt schau mich nicht so an, Genevieve«, sagte sie und zog eine vorwurfsvolle Schnute, »du hast wahrscheinlich fürchterliche Horrorgeschichten gehört, aber so schlimm ist es nicht. Es hängt ganz von dir ab, wie viel Schaden die kleinen Racker anrichten.« Sie streckte den Zeigefinger aus und berührte meine Stirn, dann murmelte sie etwas in dieser gutturalen Sprache vor sich hin. Die »kleinen Racker« beruhigten sich sofort.
»Solange du tust, was von dir verlangt wird, dürfte Rosas
Körper keinen allzu großen Schaden erleiden. Und vergiss nicht, er heilt extrem schnell. Wenn du dann morgen wieder du selbst bist, werde ich dir den Gefallen tun und Rosa von den Dämonen befreien.« Sie zuckte die Schultern. »Oder auch nicht, ganz wie du willst. Man kann den Dingen auch ihren Lauf lassen, dann wärst du von dem Zauber erlöst – und Rosa auch. Denn wenn es keinen Körper mehr gibt, gibt es auch keinen Zauber mehr. Und das ist es doch, was du willst, nicht wahr?« Sie musterte mich fragend. »Aber nur zu deiner Beruhigung: Ich habe dich nie für eine Person gehalten, die für ihre Interessen über Leichen geht – du entschuldigst das Wortspiel.«
Ich leckte über meine trockenen Lippen, und mir wurde übel. Sie schmeckten abscheulich nach Schwefel; ich musste an mich halten, um nicht zu kotzen.
»Und das Ei wäre dann wohl die Gegenleistung für die Beseitigung der Dämonen«, sagte ich, erstaunt über meinen gelassenen Ton.
»Nein, natürlich nicht; wie gesagt, ich würde dir das als Gefallen tun.«
Sie legte ihre Hände auf meine Schultern. Ich wollte sie abschütteln, musste aber zu meinem Entsetzen feststellen, dass ich mich nicht rühren konnte. Glücklicherweise gelang es mir, meine Angst vor ihr zu verbergen.
»Meine einzige Sorge ist«, fuhr sie mit einem bedauernden Lächeln fort, »dass ich mich ohne das Ei und ohne die Aussicht, Gwens Seele vor morgen Nacht retten zu können, nicht richtig auf den Zauber konzentrieren könnte …«
Morgen Nacht. Allerheiligen.
Die Nacht, in der abgerechnet wird.
Die Nacht, in der die Dämonen kommen, um ihre Schulden einzutreiben.
Jetzt wusste ich, was an ihrer Geschichte nicht stimmte. Sie
wollte die Seele der Uralten gar nicht befreien; sie wollte sie als Bezahlung benutzen.
»Dir ist hoffentlich klar, dass dein Plan einen kleinen Fehler hat, oder?«, sagte ich, erstaunt darüber, dass ich
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