Der Kalte Kuss Des Todes
Personen, die beiden Hälften des Tors. Auf dieser Seite ein Sterblicher, der Blutsverwandte einer Person, die zum Hofstaat meiner Königin gehört.«
»Ein Blutsverwandter?«
»Ein Elternteil, dessen Kind sich in den Schönen Landen befindet.«
»Aha, also ein sterblicher Elternteil auf dieser Seite«, überlegte ich laut, »aber worüber reden wir hier? Ein entführtes Menschenkind?«
Grianne erbleichte schockiert. »Meine Königin würde nie ein gestohlenes Kind an ihrem Hof dulden! Das wäre ein eklatanter Bruch des Vertrags, den die Menschenkönigin Victoria bei der Geburt ihres ersten Kindes mit den Königinnen der Schönen Lande ausgehandelt hat.«
Ich wusste nicht genau, wie viele Königinnen es dort gab. Auf meine Frage hatte Grianne geantwortet: » mehr als zwanzig «. Als ich nachhakte, sagte sie: » so viel, wie die Magie benötigt «. Beides typische Antworten, wenn sie etwas entweder nicht wusste oder mir nicht sagen wollte.
»Queen Victoria ist vor über hundert Jahren gestorben«, bemerkte ich sachlich.
Ihr Entsetzen schlug in Staunen um. »Aber es sitzt doch noch immer eine Königin auf dem englischen Thron, nicht ein König?«
»Ja, Queen Elizabeth. Die Zweite.«
»Dann wird der Vertrag bei der Geburt ihres ersten Kindes erneuert worden sein«, sagte sie mit einer wegwerfenden Geste. »Dieser Brauch geht bis zu Boadicea zurück.«
»Das Kind wurde also nicht gestohlen. Aber was dann?«
»Es war ein kostbares Geschenk an meine Königin, zu einer Zeit, da großer Kummer herrschte«, erklärte sie leise.
Aha. Fragte sich bloß, wer den größeren Kummer gehabt hatte, die Königin oder die arme Mutter, die man dazu überredet hatte, ihr Kind herzugeben. Trotzdem, es gab nicht viele, die für so einen Handel infrage kamen – was meine Suche erfreulich einschränkte.
»Also wer hat sein Kind verschenkt?«, fragte ich.
Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Es gibt leider eine Komplikation.«
Dachte ich’s mir doch!
»Ach ja?«
»Das Tor wurde weder vom Kind noch von der Mutter benutzt, sondern von jemandem, der nicht mit ihnen verwandt ist.«
Ich runzelte die Stirn. »Aber du sagtest doch, man braucht ihr Blut, um so ein Tor zu öffnen.«
Sie nickte. »So ist es.«
»Was bedeutet, dass, wer immer das Tor geöffnet hat, Zugang zu ihrem Blut hatte«, schlussfolgerte ich. »Was bedeutet, es muss jemand sein, der die Mutter kennt. Und das heißt, wenn ich die Mutter finde, finde ich wahrscheinlich auch den Toröffner und dann auch die Sidhe.«
»Die wäre sowohl für meine Königin als auch für dich von Vorteil.« Grianne führte mich umsichtig an einer öligen Pfütze vorbei. »Wenn du den Anker gefunden hast, wird meine Königin bei der Menschenpolizei vorsprechen und für dich Zeugnis ablegen.«
»Na prima.«
»Aber da ist noch etwas, das du wissen solltest.« Sie zögerte einen Moment, dann sagte sie: »Die Bean Sidhe ist nicht recht bei Verstand.«
»Kann ich mir denken. Immerhin ist sie eine Mörderin«, bemerkte ich trocken.
»Was ihr vielleicht gar nicht klar ist.« Griannes Ohrspitzen zuckten. »Sei vorsichtig. Tu ihr nicht weh.«
»Okay. Und jetzt spuck’s aus, Grianne.«
»Die Information befindet sich in deiner Tasche, Kind.«
Sie wandte sich ab, die Luft um sie herum begann zu schwirren, und dann sank sie auf vier Pfoten herab. Mit klackenden Krallen lief sie davon.
»Abgang, Grianne«, murmelte ich und holte ein zusammengefaltetes Blatt Pergament aus meiner Tasche.
Ich las den Namen, der darauf stand.
Und seufzte.
Helen Crane, alias Detective Inspector Helen Crane, Leiterin der Mord- und Magiekommission, jene Person, die mich wegen eines Mordes suchte, den ich nicht begangen hatte.
Konnte mein Tag noch schlimmer werden?
25. K apitel
H elen Cranes Blut war dazu benutzt worden, ein Tor zu den Schönen Landen zu öffnen, ein Tor, das zu ihrem Kind führte – ein Kind, das sie den Sidhe geschenkt hatte.
Ein Wechselbalg also.
Aber was sollte ich tun? Sie anrufen und sagen: »Hallöchen, Frau Inspector, ich weiß, wir stehen nicht gerade auf freundschaftlichem Fuß, aber ich habe gerade erfahren, dass Sie ein Kind haben, das Sie in die Schönen Lande verschachert haben, und jetzt raten Sie mal? Man hat Ihr Blut benutzt, um die Mörderin einzuschleusen – irgendeine Ahnung, wer wohl dahinterstecken könnte?«
Ich konnte mir den hochmütigen Ausdruck auf ihrem schönen, aristokratischen Gesicht gut vorstellen. »Das ist ja hochinteressant, Ms Taylor«, würde
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