Der Kalte Kuss Des Todes
Polizeiarzt geholt. Aber das geschieht nur selten. Von dort kann also nichts gestohlen worden sein.«
»Und diese Hexenblutbank?«
»Der Rat sammelt Spenden von allen berufstätigen Hexen. Das wird für die komplizierteren Zaubersprüche verwendet; es ist einfacher, als die dazu nötigen Hexen immer extra zusammenrufen zu müssen. Helen spendet ein Mal pro Monat.«
Die Vorteile lagen auf der Hand. Für die meisten Hexenzauber benötigte man ein ganzes Kapitel – dreizehn Hexen -, deshalb waren sie ja so teuer.
»Wann hat sie das letzte Mal gespendet?«
Er trommelte mit seinem Stift auf die Schreibtischplatte. »Gestern vor einer Woche.«
Ja! Endlich eine Spur! Ich reckte den Hals und versuchte zu lesen, was auf seinem Notizblock stand. »Und wer hat Zugang?«
Er drehte den Block zu mir herum. »Diese drei hier sind die Administratoren.«
Die ersten zwei kannte ich nicht, aber die dritte. »Sandra Wilcox wohnt in meinem Haus.«
»Ich weiß. Aber sie ist ein geachtetes Mitglied des Hexenrats. Außerdem ist sie über achtzig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Blut stehlen würde, um jemanden damit umzubringen.«
»Aber sie ist ein paranoides altes Weib, das seit einem Monat alles versucht, um mich aus meiner Wohnung rauswerfen zu lassen. Kann Helen nachsehen, ob ihr Blut noch da ist?«
»Ist es nicht mehr. Blut, das nicht innerhalb von fünf Tagen verbraucht wird, wird entsorgt.«
»›Entsorgt‹, aha. Von den Administratorinnen, wette ich.« Ich überlegte. »Die Alte hätte es also benutzen können, ohne dass es jemand merkt.«
Ich erhob mich.
»Ich gehe jetzt nach Hause und versuche herauszufinden, ob sie was weiß.«
»Gen, das ist keine gute Idee. Du solltest warten, bis ich Helen alles gesagt habe, dann kann sie mit ihr reden.«
»Das glaubst du wohl selbst nicht! Ich soll mein Schicksal in die Hände von zwei Hexen geben, die mich bekanntermaßen loswerden wollen? Außerdem hat Helen allen Grund, das Ganze zu vertuschen. Sie will sicher nicht, dass das mit ihrem Wechselbalg an die Öffentlichkeit dringt.«
»Helen wird ihre Pflicht tun -«
»Dann ruf sie doch an, Finn, wenn du unbedingt willst. Ich weiß, du vertraust ihr. Aber ich nicht. Also werde ich jetzt gehen. Und wenn sie mir eine Horde Polizisten hinterherschickt, umso besser. Dann wird wenigstens nichts unter den Teppich gekehrt.«
Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging.
26. K apitel
F ünf Tage war ich nicht zu Hause gewesen. Das ist nicht lange, aber mir kam es so vor. Aufmerksam schaute ich mich um. Und schaute . Keine neuen Zauber. Weder in der Eingangshalle noch im Stiegenhaus. Ich ließ die Tür zufallen, ohne den Schutzzauber zu aktivieren – die Polizei musste ja reinkönnen.
Ich schnupperte. Es roch schwach nach Bohnerwachs und feuchter Erde, Ersteres ein Resultat der Bemühungen des putzwütigen Hauskobolds, Letzteres der von Mr. Travers’, dem Hausmeister. Überlagert wurde das alles jedoch von einem durchdringenden Knoblauch- und Bleichegestank, der aus dem dritten Stock drang: Hexe Wilcox’ fieser Abwehrzauber. Knoblauch gegen Vamps, Bleiche gegen Fae, wie Tavish mir erklärt hatte.
Dieser Zauber war natürlich ein Problem. Wie sollte ich bei ihr anklopfen, wenn ich nicht an die Tür rankam? Trotzdem, Entschlossenheit ist die halbe Miete.
Und falls die Sidhe bei ihr war, könnte ich sie zu Grianne zurückschicken, bevor die Polizei auftauchte, auch wenn dies bedeutete, dass ich möglicherweise ein paar Tage in einer Zelle würde schmoren müssen, bis Griannes Königin kam, um mich rauszupauken.
Ich lief leichtfüßig die Treppe hinauf und blieb wenige Stufen unterhalb des dritten Stocks stehen.
Ich schaute hin: Ja, die violetten Tentakel der magischen Anemone wogten über den Gang. Das Maul in der Mitte
spitzte die nicht vorhandenen Lippen und hauchte mir einen Kuss zu.
Na toll. Der Zauber hatte inzwischen einen Sinn für Humor entwickelt. Ich hasste es, wenn die Magie das tat, denn gewöhnlich gingen ihre Scherze dann auf meine Kosten.
»Na, wenn das nicht unsere süße kleine Bean Sidhe ist«, sagte eine raue Stimme gedehnt. »Wir haben schon sehnsüchtig auf dich gewartet, denn wir haben eine so schöne Überraschungsparty für dich geplant!«
Ich schaute erschrocken nach oben. Zwei Stockwerke über mir beugte sich ein kräftiger Dryade mit einem roten Stirnband zu mir herunter. Ich kannte ihn: Es war derjenige, der mich vom Clink Museum zur Brücke gejagt hatte. Er grinste und entblößte dabei
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