Der Kalte Kuss Des Todes
sein. Es gab immer noch welche, die dir wehtun konnten, wenn sie es wollten.
»Hast du sie jetzt endlich ins Amulett gesperrt?«, fragte jemand ungehalten aus weiter, weiter Ferne.
»Ich hab doch gesagt, ich sag dir Bescheid, wenn’s so weit ist, Hannah«, entgegnete ein Mann mit zorniger, frustrierter Stimme.
»Dann beeil dich«, sagte die Frau, »nur noch eine knappe Stunde bis Mitternacht.«
Ein Ruck am Faden.
»Ins Amulett mit Ihnen, Ms Taylor, sofort!«, befahl die Stimme.
» Nein -«, flüsterte ich, dieselbe Antwort, die ich ihm die ganze Zeit gegeben hatte. Die Finger drückten härter zu, schnürten mir die Luft ab.
»Außerdem hätten wir dieses Problem gar nicht, wenn du auf mich gewartet hättest, Hannah«, entgegnete die Stimme barsch.
»Warum steckst du sie nicht einfach zu den anderen ins Fabergé-Ei?«
»Weil ich es öffnen müsste. Und dann würden uns die anderen wieder entwischen«, antwortete er genervt. »Halte du dich an deine Zaubersprüche, Hannah, und überlass die Schatten und Seelen mir.«
»Würde ich ja gern, wenn du deine Arbeit richtig erledigen würdest.« Sie war näher getreten. Misstrauisch fuhr sie fort: »Du versuchst es jetzt schon so lange, ich frage mich allmählich, ob du vielleicht absichtlich versagst.«
Das Licht verengte sich zu Nadelkopfgröße. Panik drang auf mich ein wie eine Schar ängstlicher Gartenelfen. Die Skelettfinger würden mich -
»Stopp.«
Der Druck ließ nach, und ich schnappte erleichtert nach Luft. Die Dunkelheit zog sich zurück, und das Licht wurde wieder stärker, und obwohl immer noch ein Gewicht auf meiner Brust lag, fühlte ich mich auf einmal leicht wie eine Feder. Die Stimmen hoben und senkten sich wie Wellen, weit weg, unwichtig.
Langsam fand ich wieder zu mir.
Ich hielt die Augen geschlossen. Es hatte keinen Zweck, sie aufzumachen, das würde Nekro-Neils gespenstischen Folterknecht bloß ermutigen. Außerdem musste ich mir so nicht seine abgefaulte Nase und seine schwarzen Zahnstummel anschauen. Ich lag also still da und versuchte, den auf meiner Brust sitzenden Scarface zu ignorieren, mich toter zu stellen, als ich war. Immerhin würgte er mich nur, obwohl Nekro-Neil ganz andere, weit raffiniertere Foltermethoden im Sinn hatte.
Aber dazu fehlte es dem alten Narbengesicht offenbar an Mumm.
Jetzt würde ich also nicht nur Alpträume davon kriegen, dass ich versucht hatte, meinen eigenen Körper in Besitz zu nehmen, so wie die Motte meinte, dieses ganze Schlamassel
hier reichte aus, um mich bis in mein drittes Jahrhundert zu verfolgen.
Aber natürlich nur, wenn ich es bis zum nächsten Morgen schaffte.
Und das schien unwahrscheinlicher, je länger mir Scarface’ knochige Finger den Hals zusammendrückten.
»Nun, Ms Taylor«, erklang Nekro-Neils Stimme in meinen Ohren, gefolgt von einem Ruck am Faden, »Sie scheinen sich so weit erholt zu haben, dass Sie mir antworten können: Gehen Sie jetzt ins Amulett oder nicht?«
»Nein«, krächzte ich und fragte mich, wieso er mich eigentlich nicht dazu zwingen konnte.
Der Geist verlagerte sein Gewicht, und ich machte mich auf eine weitere Würgeattacke gefasst.
»Ah, da ist ja unser Gast«, rief Hannah freudig aus. »Lass sie, Neil, sie kann uns nicht entkommen. Ich habe ein Netz über diesen Ort gelegt.«
»Du hast doch gesagt, du willst allein mit ihm reden«, brummte Neil mürrisch.
»Schon, aber ich gehe lieber auf Nummer sicher. Wir wollen schließlich nicht, dass jetzt noch was passiert, da unser Ziel zum Greifen nahe ist!«
»Wohl nicht«, antwortete er, und sie verschwanden.
Ich tastete vorsichtig nach dem Messer. Ich hatte es in der Hand gehabt, als sich Scarface und ein halbes Dutzend anderer Geister auf mich geworfen und mich zu Nekro-Neil zurückgeschleift hatten. Keiner von ihnen hatte versucht, es mir wegzunehmen – aber wieso auch, da sie auf jedem verfügbaren Stückchen Oberfläche von mir hockten.
Aber jetzt war nur noch Scarface übrig. Wie ein bösartiger Wasserspeier hockte er auf meiner Brust.
Ein knochiger Finger pikste mich in die Wange. Ich zuckte zusammen, machte die Augen aber immer noch nicht auf.
Gott, dieser Geist stank einfach erbärmlich. Ich musste würgen, die Lippen fest zusammengepresst.
Da erklang eine raue Stimme an meinem Ohr: »Geist … weg.«
Geist weg . Hä? Aber er saß doch noch auf meiner Brust!
»Wach … auf«, krächzte die Stimme, »Geist … fänger … weg.«
Der Geisterfänger? Wollte er damit sagen, dass Nekro-Neil
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