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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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Ihnen vorzuschreiben, wie Sie empfinden sollten. Ich hoffe, das habe ich mittlerweile bewiesen. Aber offensichtlich reicht das noch nicht. Ich muss auch beweisen, dass ich keine Co-Narzisstin bin – indem ich Sie herausfordere, Sie nicht mit allem durchkommen lasse. Aus diesem Grund mag mein Verhalten sprunghaft oder unberechenbar erscheinen, denn ich versuche gleichzeitig, beide Bedürfnisse zu befriedigen, bin in der einen Minute provozierend, in der nächsten einfühlsam.
    Es ist eine riskante Strategie. Wenn ich Sie verwirre, wenn Sie nie wissen, welche Verhaltensweise Sie als Nächstes von mir zu erwarten haben, besteht die Gefahr, dass Sie mich fälschlicherweise für eine zweite Jo halten.
    Ein Therapeut sollte seine Karten nicht auf diese Weise offenlegen. Ich sollte nicht wichtigtuerisch mit Diagnosen vor Ihrer Nase herumwedeln oder Sie mit geschlossenen Augen und einem selbstzufriedenen Lächeln auf dem Gesicht daliegen lassen, während ich die ganze Arbeit mache. Ich sollte Ihnen nicht all meine gewieften Taktiken verraten. Warum tue ich es also? Ich versuche, Sie zu beeindrucken. Simon hat Sie bei Ihrem ersten Treffen beeindruckt, so sehr, dass Sie bereit sind, sich diesem Martyrium zu stellen, um ihm zu helfen, seinen Mordfall aufzuklären. Wenn ich Ihnen mit meiner psychoanalytischen Brillanz imponieren und Sie davon überzeugen kann, dass ich glaubwürdig und potentiell nützlich bin, wird das große Neonschild in ihrem Kopf, auf dem die Worte »Ich darf es Ginny nicht sagen« blinken, sich vielleicht ausschalten, und Sie werden mir sagen, was Sie bisher zurückgehalten haben. Ihr Unbewusstes wird das Signal erhalten, dass das Warnschild ausgeschaltet wurde, was die Wahrscheinlichkeit vergrößert, dass …
    Was ist?
    Amber? Was ist? Ist Ihnen etwas eingefallen?

10
    2. 12. 2010
    Simon stand vor dem Haus von Jo und Neil Utting, als sein Handy zu vibrieren begann. Er holte es aus der Tasche und schaute auf das Display. Charlie. »Mach’s kurz«, sagte er. Wahrscheinlich hatte sie nur das »kurz« gehört. Als er ihren Namen sah, hatte er sofort angefangen zu sprechen, obwohl er wusste, dass die Verbindung noch nicht stand.
    »Wo bist du?«, fragte sie.
    »Ich wollte gerade Johannah Utting vernehmen. Warum?«
    »Ich muss dir …« Charlie brach ab. »Wen?«
    Simon hätte auf den misstrauischen Tonfall verzichten können, genauso wie auf den Schnee, der auf seinem Kopf und seinem Nacken landete. »Was willst du?«
    »Wer ist Johannah Utting?«, fragte Charlie.
    Simon schloss die Augen. Er wusste, wie die nächste Frage lauten würde. Ist sie attraktiv? Charlie sagte das jedes Mal, wenn er den Namen einer Frau erwähnte. Es war einfach erbärmlich. Und verwirrend. Woher sollte er wissen, was attraktiv war? »Ich muss weiter«, sagte er. »Wir reden später.« Gespräch beendet, Telefon ausgeschaltet, Ende des Problems. Erst mal.
    Wahrscheinlich würden die meisten Männer Jo Utting als attraktiv bezeichnen, doch es war nicht die Art Attraktivität, die Simon ansprechend fand. Er hatte stark gekräuseltes Haar schon immer leicht beunruhigend gefunden, besonders bei Frauen. Es erinnerte ihn an Puppen in Horrorfilmen, die zum Leben erwachten, auch wenn er sich nicht erinnern konnte, je einen solchen Film gesehen zu haben. Jo Utting hatte das krauseste Haar, das er je zu Gesicht bekommen hatte, jede Strähne eine zusammengerollte gelbe Sprungfeder. Gab es denn keine Möglichkeit, es irgendwie zu glätten?
    Jo und eine Frau mit fremdländischem Akzent führten Simon in das kleine Reihenhaus aus rotem Backstein. Die Frau teilte ihm grinsend mit, dass sie Sabina sei, ganz so als müsse er schon von ihr gehört haben. Es wäre ihm schwergefallen, die Szene zu beschreiben, die er vor sich sah – selbst in seinem eigenen Kopf brachte er es kaum zusammen, da er doch gleichzeitig Erzähler und Zuhörer war, ein Zuhörer, der die Geschichte bereits kannte. Als Polizist war er im Laufe der Jahre häufig in sonderbare und unerfreuliche Situationen geraten, aber diese bizarre chaotische Szene war neu für ihn.
    Eine unglaublich große Anzahl von Personen, unter ihnen ein paar Kinder, tauchten auf und versuchten, ihn alle auf einmal in ein Gespräch zu verwickeln. Und niemand ließ sich davon stören, dass alle anderen es ebenfalls versuchten. Genaugenommen war er sich noch nicht einmal sicher, ob jemand die übrigen Anwesenden überhaupt wahrnahm. Simon war in einer Wolke unerträglichen Lärms gefangen. Antworten

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