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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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belebte Objekte anheben zu müssen. Mindestens vier Personen müssten sich bewegen.
    Jemand schob ihn vorwärts. »Ich liefere Sie bei Jo ab«, sagte Sabina. Wie und wann war sie hinter ihn gelangt? »In diesem Haus muss man drängeln.« Mit ihrer Hilfe gelang es Simon irgendwie, sich durch die Menge zu Jo und in die Küche zu kämpfen. Die Erleichterung darüber war nur von kurzer Dauer. Er hatte Jos Angebot angenommen, ihm einen Tee zu machen, und wollte gerade fragen, ob sie die Tür schließen könne, damit er seine Gedanken wieder hören konnte, als ein Junge mit ernstem Gesicht vor ihm auftauchte. »Kennen Sie den Unterschied zwischen einer transitiven und einer intransitiven Relation?«
    »William, nerv’ ihn nicht«, rügte Jo den Jungen und griff nach einem Becher. »Spielt doch ein wenig mit der Wii.«
    »Schon gut«, sagte Simon, der den Unterschied zwischen einer transitiven und einer intransitiven Relation nicht kannte. Der Junge schien etwa zwölf oder dreizehn zu sein. Wenn es etwas gab, irgendetwas, das er wusste und Simon nicht, musste sich das dringend ändern. »Transitive und …?«
    »Intransitive.« William richtete sich auf wie ein Militärkadett.
    »Gut, erzähl’s mir.«
    »Die Queen ist reicher als mein Vater, mein Vater ist reicher als Onkel Luke …«
    »William!« Jo verdrehte die Augen. »Entschuldigen Sie«, sagte sie leise zu Simon und lief rot an.
    »… mein Onkel Luke ist reicher als ich. Das bedeutet, die Queen ist auch reicher als ich. Das ist eine transitive Relation. Wenn die Queen reicher wäre als jemand, der reicher ist als ich, aber die Queen nicht reicher wäre als ich, wäre die Relation intransitiv. Nur dass ›reicher als‹ immer transitiv ist. Intransitiv wäre etwa ›nebenan wohnen‹ oder …«
    »Schön, William, das reicht«, sagte Jo. »Ich glaube, DC Waterhouse hat’s begriffen. Na los, lauf schon.«
    Ihr Sohn verließ die Küche mit einem Ausdruck von Enttäuschung, als hätte er noch mehr zu sagen gehabt und würde nun nie mehr die Gelegenheit dazu erhalten. Seltsamer Junge, dachte Simon.
    Am liebsten hätte er laut Hurra gerufen, als Jo die Küchentür schloss und damit eine Barriere zwischen ihnen und dem Lärm errichtete. »Sein Vater ist keineswegs reicher als sein Onkel Luke«, sagte sie, als wäre ihr das wichtig. »William denkt wohl, jeder, der eine eigene Firma hat, sei Bill Gates oder so. Schön wär’s!«
    »Ich muss Ihnen einige Fragen zu gestern Nacht stellen«, sagte Simon.
    »Erst muss ich Sie fragen, ob es wahr ist, was Amber sagt. Werden Sie tatsächlich niemandem sagen, dass sie nicht selbst zu diesem Verkehrserziehungskurs gegangen ist?«
    »Ich werde mein Möglichstes tun.«
    »In dem Fall …« Jo atmete tief aus. »Gott sei Dank. Ich habe zwei kleine Kinder, einen abhängigen Schwiegervater, der bei mir wohnt, seit seine Frau an Brustkrebs gestorben ist, eine Schwester mit einer schweren geistigen Behinderung, die vorübergehend bei mir wohnt, und eine Mutter, die auch älter wird und nicht mehr so stark ist wie früher.«
    »Ich hoffe, es wird nicht nötig sein, den Verkehrserziehungskurs zur Sprache zu bringen«, sagte Simon. Zwei kleine Kinder. War der stramme, wortgewandte, etwa zwölfjährige William eins von ihnen? Simon hätte ihn nicht als klein bezeichnet. Er hätte auch Jos Sprechweise nicht als kristallklar beschrieben, wie Edward Ormston es getan hatte. Sie sprach wie eine gebildete Frau, das ja, obere Mittelklasse, ja, aber nicht wie ein Mitglied des Königshauses. Nicht aristokratisch.
    »Es gibt Menschen, die auf mich angewiesen sind.« Jo reichte Simon seinen Tee. »Ich weiß selbst, dass es falsch war, was ich getan habe. Mir liegt eben zu viel an anderen Leuten, und deshalb lade ich mir all ihre selbstgemachten Probleme auf.« Sie stieß ein bitteres Lachen aus. »Alle sagen immer, dass ich viel zu hilfsbereit und aufopferungsvoll bin, aber sogar ich ziehe eine Grenze, wenn ich strafrechtlich verfolgt werden soll!« Sie sah Simon an, als hätte er ihr gedroht. »Sie können mich nicht dafür bestrafen, dass mir andere Leute so sehr am Herzen liegen.«
    Doch, könnte ich schon. »Wo waren Sie gestern zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens?«
    »Im Bett. Ich habe geschlafen. Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, dass ich Ambers Haus angezündet habe?«
    »Kann Ihr Mann das bestätigen?«
    »Er hat ebenfalls geschlafen. Wie wir alle.«
    Das war dann ja einfach. Wenn alle geschlafen hatten, bedeutete das, niemand

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