Der kalte Schlaf
Nacht, in der Sharon starb. Laut Bond hatte sie sich großartig amüsiert. Das sagte auch seine Teenie-Tochter, die auf Dinah und Nonie aufgepasst hatte. Sharon blieb bis elf im Pub, dann ging sie nach Hause und ins Bett. Dinah war noch auf und unterhielt sich angeregt mit Bonds Tochter. Sie ging ins Bett, als ihre Mutter ins Bett ging, um halb zwölf. Davor hat sie das Gespräch zwischen der Babysitterin und Sharon mitbekommen. Bonds Tochter sagte: ›Sie sind ja früh wieder da‹, und Sharon entgegnete scherzhaft: ›Elf Uhr abends ist nicht früh. Ich wäre gern die ganze Nacht geblieben, aber dazu bin ich eindeutig zu alt.‹ Daher wusste Dinah, dass der Pub noch geöffnet sein würde, als sie und Nonie wegliefen und irgendwo hinmussten – nicht weil sie eine kleine Psychopathin ist, die gern bis in die frühen Morgenstunden in Pubs herumhängt.«
»Und wenn sie die Nachbarn nicht wecken wollte, lag das vielleicht daran …«, begann Gibbs.
»… dass sie mitbekommen hat, wie zahllose Mitglieder der Anwohnerinitiative auf rücksichtslosen Leuten herumhackten, denen es egal ist, wenn sie den Schlaf hart arbeitender Steuerzahler stören«, beendete Sam den Satz für ihn.
»Bond hatte also kein Motiv dafür, Sharons Haus anzuzünden«, sagte Gibbs.
»Nicht, wenn stimmt, was er, seine Tochter, Dinah Lendrim, Nonie Lendrim und Amber Hewerdine sagen«, bestätigte Sam. »Leider wusste sonst niemand von ihrem Sinneswandel oder ihrem Abkommen mit Bond.«
»Fünf Zeugen sind nicht genug?«
»Normalerweise schon, aber zwölf Leute behaupteten das Gegenteil: Terry Bond habe Sharon Lendrim gehasst, sie hätte nie ihre Meinung hinsichtlich der Öffnungszeiten des Pubs geändert, Bond müsse aus Rache einen Mord in Auftrag gegeben haben. Als Sharon ermordet wurde, hatte Bond bereits einen neuen Antrag bei der Stadtverwaltung eingereicht, und die Anwohnerinitiative legte wieder los, um das zu verhindern. Amber Hewerdine erzählte Ursula Shearer, Sharon habe Angst gehabt, mit der Sprache herauszurücken und den Wutbürgern zu beichten, dass sie die Seiten gewechselt habe. Sie hat es immer wieder aufgeschoben … und dann wurde sie ermordet.«
»Und es sah so aus, als würde Bond sie aus dem Weg räumen wollen, damit es beim zweiten Versuch klappte«, sagte Gibbs. »Aber nichts von alldem erklärt, wieso Amber Hewerdine die Kinder von Sharon Lendrim bekommen hat.«
»Sharon hat ein Testament hinterlassen, in dem sie Amber zum Vormund der Kinder ernennt, falls ihr etwas passieren sollte. Die Kinder sollten auf keinen Fall zu Marianne kommen, ihrer Großmutter und einzigen noch lebenden Blutsverwandten. Amber und Luke versuchen, die Kinder zu adoptieren. Marianne ist strikt dagegen, sagt Ursula Shearer. Das Jugendamt wollte von ihr wissen, was sie von beiden hält, von Marianne und von Amber, wie sie zu der möglichen Adoption steht, wie sie Mariannes Einwände beurteilt. Schließlich kennt sie alle Beteiligten.«
»Und?«, fragte Gibbs.
»Ursula mag Amber und vertraut ihr. Sie findet, sie und ihr Mann Luke sind großartig für die Kinder. Allerdings hält sie Amber auch für eine ziemliche Nervensäge, die dazu neigt, anderen Leuten zu erzählen, wie sie ihre Arbeit machen sollen. Nichts, was Ursula sagt, kann sie von ihrer Überzeugung abbringen, dass Sharon von einem Mitglied der Anwohnerinitiative ermordet wurde.«
Gibbs verschluckte sich an seinem Bier. »Was, von den Puritanern?«
»Reiner Blödsinn, sagt Ursula. Die Wutbürger haben alle ein Alibi. Amber weiß das, hält aber trotzdem an ihrer Theorie fest. Gelegentlich ruft sie Ursula an und versucht erneut, sie zu überzeugen: Jemand habe Sharon ermordet, um Terry Bonds Ruf zu beschädigen. Es konnte nicht bewiesen werden, dass Bond dahintersteckte, aber der Verdacht hätte vermutlich ausgereicht, um den Ausschuss zu bewegen, künftige Anträge Bonds auf Verkürzung der Sperrzeit abzulehnen. Wenn das das Ziel des Täters war, hat es in gewisser Weise funktioniert. Als Bond von Sharons Ermordung erfuhr, war er am Boden zerstört und zog augenblicklich seinen Antrag zurück. Er glaubte Ambers Theorie – als Einziger –, und gab sich selbst die Schuld. Er meinte, sein Antrag bei der Stadtverwaltung habe die Tragödie ausgelöst. Sie können sich vorstellen, wie er sich selbst gequält haben muss.«
Sam hatte Ursula Shearer angemerkt, dass Bond ihr leidtat. Das hatte ihn bewogen, sie zu fragen, ob er immer noch der Wirt des Four Fountains war. »Der Pub hat
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