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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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war, gab es keine Moderatoren bei Kursen.«
    »Sie heißt Amber Hewerdine«, sagte Simon. »Sie arbeitet für die Stadtverwaltung, in der Gewerbeüberwachung. Ihr Mann heißt Luke und ist Steinmetz, und sie haben zwei Kinder.« Simon dachte an die Nachricht, die Sam ihm auf dem Handy hinterlassen hatte, und fügte hinzu: »Es sind nicht ihre Kinder – seit dem Tod der Mutter ist sie ihr gesetzlicher Vormund. Amber und Luke wollen die beiden adoptieren.«
    »Wie furchtbar – der Tod der Mutter, meine ich. Tut mir leid, ich verstehe nicht ganz …« Ormston war zu höflich, um Simon direkt zu fragen, warum er ihm die Lebensgeschichte einer wildfremden Frau erzählte.
    »Ich dachte, eins dieser Details würde vielleicht Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Ihre familiäre Situation ist ungewöhnlich … Aber offensichtlich hören Sie das alles zum ersten Mal.« Simon versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ormston war der Letzte auf seiner Liste. Alle anderen Teilnehmer des Verkehrserziehungskurses hatte er bereits persönlich oder am Telefon befragt oder als momentan nicht erreichbar abgeschrieben. Niemand, mit dem er gesprochen hatte, konnte sich an Ambers Gesicht erinnern, obwohl alle betont hatten, das bedeute nicht, dass sie nicht da gewesen sei. Es war zu lange her. Sie alle hatten seit diesem zweiten November viele Gesichter gesehen und wieder vergessen. Ormston hatte er sich bis zuletzt aufbewahrt, da er davon ausging, er müsse der von Amber erwähnte »Ed« sein, der Mann, der einen Autounfall überlebt hatte, bei dem seine Tochter gestorben war. Louise oder Lucy. An der Küchenwand hing das gerahmte Foto eines blonden Kleinkinds. War das die Tochter?
    »Wir haben uns weder mit Namen vorgestellt noch über persönliche Dinge gesprochen«, erklärte Ormston. »Wir haben uns kaum miteinander unterhalten, nicht einmal während der Pausen. Alle hielten die Köpfe gesenkt und kommunizierten via Handy mit der Außenwelt. Niemand von uns war freiwillig da. Es war uns allen etwas peinlich, wir wollten es nur hinter uns bringen und so schnell wie möglich wieder verschwinden.«
    »Amber hat sich an Sie erinnert. Sie nannte Sie Ed.«
    »Ah. Ich glaube, das kann ich erklären. Vielleicht kann ich Ihnen doch ein wenig helfen.« Ormston lächelte. »Sehen Sie, der Moderator hat mich nach meinem Namen gefragt, vor der ganzen Gruppe. Alle, die mich kennen, nennen mich Ed – Edward sagt keiner –, also habe ich Ed gesagt. Alle im Raum haben es gehört. Ich hätte es vorgezogen, wenn er mich nicht gefragt und dadurch die ganze Aufmerksamkeit auf mich gelenkt hätte, er hat nämlich nach keinem anderen Namen gefragt, aber ich nehme es ihm nicht übel. Ich konnte verstehen, warum er das machte. Es war ein ziemlich ungeschickter Versuch, mir von Mensch zu Mensch zu begegnen, nachdem die Verbindung auf Kursteilnehmer-Kursleiter-Ebene zu einer seinem Empfinden nach für ihn peinlichen Lage geführt hatte. Und um fair zu sein, ich hatte bereits selbst die Aufmerksamkeit auf mich gezogen.«
    »Sie haben der Gruppe vom Tod Ihrer Tochter erzählt«, sagte Simon.
    Ormstons Augenbrauen schossen hoch. »Sie wissen davon?«
    »Amber hat es erwähnt.«
    »Gott segne sie«, sagte Ormston.
    Simon fragte sich, ob der Mann wohl religiös war. Dann fragte er sich, warum er nie mitbekommen hatte, dass seine Eltern, die gläubige Katholiken waren, irgendjemanden gesegnet hatten. Und dabei war er immer davon ausgegangen, dass sie sich im Glauben besonders hervortaten, obwohl sie in allen anderen Lebensbereichen unfähig waren. Aber vielleicht war das ja ein Irrtum, und sie waren auch im Religiös-Sein beschissen. Und somit, erkannte Simon, hätten sie gar nichts Gewinnendes mehr an sich. Es war ein deprimierender Gedanke.
    »Ist das Ihre Tochter?« Er wies auf das gerahmte Foto an der Wand.
    »Ja. Louise. Ein schönes Kind, nicht wahr?«
    »Es muss unerträglich sein, ein Kind zu verlieren.«
    »Nichts ist unerträglich«, sagte Ormston und starrte auf das Foto. »Das kann ich Ihnen versprechen. Wir ertragen alles. Bleibt uns ja nichts anderes übrig, oder?«
    »Das hat nichts mit meinem Fall zu tun, aber … warum haben Sie es erzählt? Dem Kurs, von Louises Tod. Sie hätten es doch für sich behalten können. Niemand hätte es erfahren.«
    Ormston nickte. »Ich habe es in Erwägung gezogen. Genau das habe ich mir auch gedacht: Du brauchst es ihnen nicht zu erzählen. Aber dann dachte ich: Warum eigentlich nicht? Es

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