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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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richtig, um zu beweisen, dass sie keine völlige Versagerin ist. Zu Dinah sage ich: »Du hast richtig geraten. Ich habe ihr gedroht, und sie hat nachgegeben.«
    Die beiden Mädchen auf dem Rücksitz schnappen aufgeregt nach Luft. Ich muss unwillkürlich grinsen.
    »Womit hast du ihr gedroht?«, fragt Dinah kurz angebunden und unfähig, ihre Neugier unter Kontrolle zu halten. Sie will es unbedingt wissen. »Hast du sie fast gehauen?«
    »Nein. Es war ziemlich langweilig. Du wirst enttäuscht sein«, warne ich sie. »Erst habe ich versucht, sie zu überzeugen. Es sei nicht fair, dir erst zu versprechen, du könntest das Stück aufführen, und dann einen Rückzieher zu machen, aber sie wiederholte immer nur, es sei unglücklich gelaufen, aber leider nicht zu ändern, als hätte sie gar nichts damit zu tun. Also wies ich sie darauf hin, dass sie bei Schulkonzerten oder dem Weihnachtsmärchen Wein und Sherry an die Eltern ausschenkt und dafür freiwillige ›Spenden‹ für den Schulverein kassiert, rein zufällig etwa so viel, wie ein Glas Wein kosten würde. Oder zwei oder vier, wenn Dr. und Mrs Gutverdiener Oma und Opa mitgebracht haben.«
    »Das ist echt clever«, sagt Dinah. Sie sagt es ganz bescheiden, was ungewöhnlich für sie ist. Voller Bewunderung. Ich sollte mich eigentlich schuldig fühlen, aber ich freue mich wie ein Schneekönig.
    »Versteh ich nicht«, sagt Nonie.
    »Die Schule darf keinen Alkohol ausschenken«, erklärt Dinah ihr. »Man braucht eine Sondergenehmigung von Ambers Behörde, und die Schule hat keine. Mrs Truscott hat Alkohol verkauft und so getan, als hätte sie ihn nicht verkauft, und Amber hat gedroht, sie verhaften zu lassen, wenn …«
    »Also, nicht ganz«, werfe ich ein. »Ich habe nur darauf hingewiesen, als zuständige Sachbearbeiterin der Stadtverwaltung … Um ehrlich zu sein, mehr brauchte ich gar nicht zu sagen. Wie alle guten Drohungen war meine versteckt, nicht offen ausgesprochen.« Mist. Das laut auszusprechen war nicht ideal. Ich räuspere mich. »Es ist falsch, anderen Leuten zu drohen, fast immer. Aber es ist auch falsch, Alkohol zu verkaufen. Wenn man zu viel Alkohol trinkt, kann man süchtig werden und sogar daran sterben. Also schön, wer will Lady Gaga hören?«, frage ich munter.
    »Zuerst muss ich meine Mathe-Hausaufgaben verstehen.« Nonie wird ganz nervös, jetzt wo ihr Wunsch wahrscheinlich erfüllt werden wird. »Stell mir eine Aufgabe.«
    Ich stelle mir vor, laut zu stöhnen – ein langgezogenes Brüllen, wie ein Löwe –, bis der Drang vergeht, laut zu stöhnen. »Gut. Aber bitte, bitte, versuch, dich nicht aufzuregen.«
    »Du meinst, wenn ich es falsch mache?«
    »Nein.« Doch . »Das habe ich nicht gemeint. Wie viel ist achtundfünfzig plus fünf?« Verstärke ich ihre Überzeugung, dass sie es nicht verdient hat, Musik zu hören, wenn sie nicht vorher einen intellektuellen Hindernislauf absolviert? Sollte mein Motto als ihr Vormund lauten: erst melodische Pornographie, dann Mathe?
    Sofort gerät sie in Panik. »Ich weiß es nicht! Dreiundfünfzig? Nein! Einundsechzig? Sechzig!«
    »Beruhige dich, Nonie. Hör zu. Achtundfünfzig plus zwei ist sechzig, oder? Also …«
    »Das weiß ich! Achtundfünfzig plus zwei ist sechzig, achtundfünfzig plus eins ist neunundfünfzig. Siehst du? Ich kann es, solange es nicht über den nächsten Zehner geht!« Sie hyperventiliert, ihr lautes Atmen erfüllt das Wageninnere. Es erweckt in mir den Wunsch, das Fenster zu öffnen, auch wenn ich dann riskiere, die Nase durch Erfrieren einzubüßen.
    »Nones«, sage ich ruhig. »Ich kann dir beibringen, was dann zu tun ist, außer in Panik zu geraten …«
    »Zweiundfünfzig! Dreiundfünfzig!«
    »Jetzt nicht explodieren«, lautet Dinahs hilfreicher Beitrag.
    »Nonie, Schatz, ich kann das nicht, wenn du mir weiter Zahlen an den Kopf wirfst.«
    »Dreiundfünfzig!«, schreit sie plötzlich triumphierend. »Achtundfünfzig plus zwei ist fünfzig, dann noch drei, und wir haben drei …«
    »Sie hat es an den Fingern abgezählt«, sagt Dinah. »Es heißt aber eigentlich Kopfrechnen .«
    »Dreiundfünfzig«, beharrt Nonie. »Stimmt doch, Amber, oder?«
    »Also, das war schon ganz gut«, beginne ich.
    »Ganz gut?«, fragt Dinah ungläubig. »Es sind dreiundsechzig. Achtundfünfzig plus zwei sind nicht fünfzig, sondern sechzig.«
    »Oh nein! Ich hasse es! Ich komme nie auf die richtige Lösung!«, schluchzt Nonie.
    »Doch, das wirst du, Nones. Das hast du großartig gemacht.« Wieder

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