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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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drücke ich tröstend ihr Knie. »Du hast die richtige Technik angewandt. Du hast begriffen, wie es geht, und das ist das Wichtigste. Du hast fünfzig und sechzig durcheinandergebracht, na und?« Ziemlich dicht dran, wenn man das große Ganze im Blick behält. Müssen wir wirklich solch eine Haarspalterei betreiben? »Du hast sechzig gemeint, das weiß ich.«
    »Gott sei Dank bist du keine Mathelehrerin«, teilt Dinah mir mit.
    Es gelingt mir, die Antwort zu unterdrücken, dass ich meine Tage lieber mit der Beobachtung des Verhaltens von Schnecken zubringen würde. Ich erteile mir einen Punkt für Zurückhaltung und Reife.
    »Amber unterrichtet doch Mathe«, sagt Nonie. »Sie unterrichtet mich.«
    Vor dem chinesischen Supermarkt fliegen noch mehr leere Chipstüten herum als sonst, zudem liegen da mehrere leere Bierdosen und der Inhalt verschiedener Aschenbecher. Das Leben mit Dinah hat mich für solche Dinge sensibilisiert. Dass es ihr nicht auffällt, ist unwahrscheinlich. Eins, zwei, drei …
    »Seht euch das an!«, ruft sie. »Das ist doch widerlich. Leute, die ihren Müll einfach fallen lassen, sollten ins Gefängnis kommen. Man sollte ihre Zellen mit Müll vollstopfen, so hoch, dass sie bis zur Nase drinstecken und den grässlichen Gestank für immer einatmen müssen.«
    »Das kann man niemandem antun, egal was er getan hat«, sagt Nonie. »Oder, Amber?«
    Ich mache die Musik an, ohne zu fragen, ob das noch gewünscht wird, und stelle sie lauter, als ich es normalerweise tolerieren könnte. Ich mag Lady Gaga nicht mal, auch wenn ihre Musik sich gut eignet, um ein Gespräch zu beenden, wenn ich zu erledigt bin, es weiterzuführen. Ich hätte diese Technik bei Simon Waterhouse ausprobieren sollen, als er mich heute Morgen unbedingt sprechen wollte. Bedaure, ich habe zu viel zu tun. Und jetzt kommt »Bad Romance«.
    Ich wollte nicht mit ihm reden, ohne Jo vorzuwarnen, alles andere wäre nicht fair ihr gegenüber gewesen. Jo wird wahrscheinlich besser von mir behandelt als irgendjemand sonst: mehr Zurückhaltung, mehr Takt. Ich weiß nie so genau, ob das Selbsterhaltung ist und nur vernünftig, oder einfach sinnlose Verschwendung von Rücksichtnahme, wenn man bedenkt, was ich von ihr halte. Ich profitiere ebenso sehr davon wie sie, wenn ich ihr keinen Grund liefere, mich anzugreifen, aber manchmal springt sie mir trotzdem ins Gesicht, was mich zwingt, mir einzugestehen, dass ich mich ständig bemühe, auf ihre Launen einzugehen, und zwar vollkommen vergeblich. Und das erfüllt mich mit sinnloser Wut.
    Warum fand ich nicht, dass es wichtiger sei, fair gegenüber Simon Waterhouse zu sein, der mich immer nur gut behandelt hat? Warum ist es mir immer noch so wichtig, Jo zu beweisen, dass ich ein besserer Mensch bin, als sie annimmt?
    »Was bedeutet ›Lieb, Grausam, Liebgrausam?‹«, fragt Dinah in der kurzen Pause zwischen zwei Songs.
    Ich stelle die Musik ab. »Wo hast du das gehört?«
    »Nirgends.«
    Ich fahre an den Straßenrand und steige auf die Bremse. »Dinah, lass den Blödsinn! Das ist wichtig. Wo hast du …«
    »Gehört habe ich es nirgendwo. Ich hab’s gesehen.«
    »Wo? Wann?« So einfach kann es doch nicht sein.
    »Heute Morgen. Auf der Fernsehseite von gestern. Du hast es draufgeschrieben. Es war deine Schrift.«
    Mein ganzer Körper sackt in sich zusammen. Ich muss aussehen wie ein Airbag mit Loch, aus dem langsam die Luft entweicht. »Stimmt«, sage ich. »Tut mir leid, ich habe … dich falsch verstanden. Ich habe nur herumgekrakelt.«
    »Man kritzelt Bilder, keine Wörter«, sagt Nonie.
    »Aber warum hast du diese Wörter aufgeschrieben?«, fragt Dinah. »Wo hast du sie her?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe nur rumgekritzelt.«
    »Warum hast du dann gesagt, dass es wichtig ist? Warum sind diese Wörter wichtig?«
    »Dinah, hör auf!«, bittet Nonie.
    »Das sind sie nicht, sie …«
    »Du lügst schon wieder.«
    »Dinah, bitte.« Ich versuche autoritär zu klingen.
    »Bitte was? Bitte bring mich nicht dazu, zuzugeben, dass ich lüge? Warum sagst du nicht einfach, dass du es mir lieber nicht sagen willst?«
    Das ist entweder ein Ausweg oder eine Falle. Ich bin verzweifelt genug, den Versuch zu wagen. »Ich würde es dir lieber nicht sagen.«
    »Okay.« Dinah akzeptiert das mit einem Achselzucken, das ich nicht sehen kann, aber hören. Brillant. Lügen und Aussöhnung: der Weg nach vorn.
    »Wird Kirsty auch bei Jo sein?«, fragt Nonie.
    »Wahrscheinlich. Mit Hilary.«
    »Amber?«
    »Mmm?«
    »Was fehlt

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