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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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unterbrach ihn Fraul barsch. »Halten Sie sich von meiner Familie fern, ja?« Und er ging an Rosinger vorbei und aus dem Spital. Rosinger stand mitten in der Eingangshalle, eine Blutwelle schoss in seinen Kopf, er drehte sich um die eigene Achse, suchte nach einem WC -Schild, ging zu den Toiletten. Vor dem Spiegel über den Waschtisch gebeugt, verharrte er. Die schwer atmende Hedi auf ihrem Sterbelager kam vor seine Augen. Er saß neben ihr und wartete, bis und ob ihr nächster Atemzug endlich doch noch kommen möge, auch kam und dann ausblieb.
    Rosinger hob den Kopf. Er konnte sein Spiegelbild kaum erkennen. Er riss ein Papierhandtuch herunter und wischte sich das Gesicht ab.
    Als er aus dem Rudolfspital herauskam, sah er sich um und ging langsam rechts bis zur Landstraßer Hauptstraße vor. An der Ecke stand Fraul. Als die Blicke der beiden Männer sich trafen, nickte Fraul kurz und ging davon.
     
    Nach einer Woche war Rosa vorerst überm Berg. Sie hatte Edmund gebeten, ihr Bücher zu bringen. Sie war noch zu müde, um ihre gewohnte Ration an Lektüre herunterzulesen, aber sie merkte selbst, wie es Tag um Tag mit ihr aufwärtsging. Zunehmend war sie über die Aufmerksamkeit verwundert, welche die Oberärztin ihr angedeihen ließ, und erkundigte sich bei der nächsten Visite, ob sie etwas medizinisch Besonderes in sich oder an sich habe.
    Messerschmidt eröffnete Inge an einem dieser Tage, als er mit ihr Kaffee in der Kantine trank, dass Stefan Keyntz sich vielleicht entschließen würde, etwas aus seiner schönen
Stimme zu machen. Er habe ihn zum Chor eingeladen, und der Steff werde demnächst dem Schurin vorsingen.
    »Die Margit hat einen langen Arm«, sagte er plötzlich. Inge sah ihn überrascht an.
    »Was du alles bemerkst«, murmelte sie und hob die Kaffeeschale zum Mund.
    2.
    Schönn hatte auf die Wahl von Wais sofort mit der ganzen Wucht der Burg reagieren wollen. Er begann Raimund Muthesius unter Druck zu setzen, das Auftragsstück jetzt und nicht irgendwann fertigzustellen. Muthesius antwortete gar nicht oder kanzelte den Burgtheaterdirektor mit verschliffenen Gemeinheiten über dessen Theater, ihn selbst und Österreich ab. Schönn ließ dies an sich abperlen. Er schickte zweimal die Woche ein Fax nach Unterach und wies seine Chefsekretärin an, am jeweiligen Folgetag anzurufen.
    Bereits zwei Wochen nach der Kundgebung am Stephansplatz wurde Tonio Gaspari von Schönn angerufen. Gaspari nahm den Hörer unter Schmerzen ab.
    »Hier Dietger«, trompetete Schönn, »herrlicher Sommer, wie geht es dir?«
    »Was für ein Gebrüll ins Ohr eines Schwerverletzten.«
    »Ist was passiert?«
    »Bin beim Autofahren eingedöst. War zwei Tage im Spital. Liest du keine Zeitungen?«
    »Das tut mir leid. Wie gehts dir denn jetzt?«
    »Vier Rippen angeknackst.«
    »Schlimm. Man spürt jeden Atemzug. Ich kenne das.«
    »Schlüsselbein tut weh, Ellenbogen tut weh, Seele tut weh.«
    »Ach herrje, Tonino. Aber dat wird wieder.«
    »Und wie gehts dir?«, fragte Gaspari müde.
    »Formidabel. Hör zu: Wir nehmen Macbeth im Herbst wieder auf. Kannst du nicht einen gegenwartsbezogenen Prolog schreiben?«
    »Mit den drei Hexen?«
    »Mit oder ohne, ist dir freigestellt. Mit wäre mir lieber.«
    »Ohne Macbeth und … wie heißt sein Freund, den er dann umbringen lässt, Saldo?«
    »Banquo. Mit beiden. Netter Witz.«
    »Mir ist nicht nach Witzen!«
    »Wie wärs? Im Herbst dem Wais eine reinwürgen? Und seiner Wählerschaft!«
    »Ich bin Dichter, kein Kabarettist!«
    »Ich will Dichtung von dir. Nix anderes.«
    »Also, ich weiß nicht.«
    »Ich rufe dich in einer Stunde nochmals an. Tschüss.«
    Scherfele war im Urlaub, Schönn eigentlich auch, er ging rüber ins Landtmann, trank zwei Melange, fuhr heim und rief von dort Scherfele im Hotel Bergrose in Strobl am Wolfgangsee an.
    »Ich möchte nen Schnellschuss für November. Mir genügt der Macbethprolog nicht. Wir müssen uns ordentlich einmischen und dem Land was vorgeigen.«
    »Was schwebt dir vor?«, fragte Scherfele durch die Nase. 
    »Das will ich von dir wissen. Keene Ahnung. Gibts eigentlich Stücke über Antisemitismus, oder so einen Kram? Was speziell Österreichisches?« Scherfele meckerte ins Telefon:
    »Gibt es, Maestro, gibt es: Schnitzler, Bernhardi. Aber du kannst doch den Schnitzler nicht leiden?«
    »Bernhardi, Rüdiger. Natürlich! Dass ich nicht selbst drauf
gekommen bin. Klar. Das mach ich. Ich fahr übermorgen nach Aussee, und du kommst rüber zu

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