Der Kalte
hätte.
»Was soll denn mit den anderen zwei Karten geschehen?«
Er dächte, er lade die Mutter und den Bruder von Margit ein.
»Warum die Mutter?«
»So halt. Wir drei und Renate Keyntz.«
»Na gut. Danke«, sagte Inge. »Margits langer Arm.«
Nachdem Guido gegangen war, schlief sie noch zwei Stunden tief und traumlos.
5.
Die Freude über die Wahl des Bundespräsidenten währte bei den Konservativen nicht lange. Wais war mit seiner Frau Aglaja an seinen Urlaubsort nach Parschallen am Attersee gefahren. Äußerlich wirkte er zufrieden, in seinem Gesicht war die Genugtuung nicht zu übersehen, als die örtlichen Honoratioren ihm nun ihre Aufwartung machten. Aglaja jedoch kannte ihren Johann. Das wird ihm keine Ruhe lassen, dachte sie. Er ist doch so dünnhäutig. Zu dünnhäutig für einen Diplomaten, erst recht für einen Politiker. Johann wird sich seine Nächte vergrübeln. Ich werde zu tun bekommen. Sie nahm sich vor, fest weiter hinter ihrem Mann zu stehen und ihn jede Sekunde seines Präsidentenlebens mit Zuversicht zu versorgen. In seiner langen Karriere war sie ohnedies die Steine-aus-dem-Weg-Räumerin gewesen. In New York hatte sie ihm den Rücken gestärkt, wenn ihm die Gerüchte über seinen Geiz zu Ohren gekommen waren. Es gelang ihr, auf unauffällige Weise binnen eines Jahres das Bild eines großzügigen, warmherzigen Menschen aufzubauen. Seine Spenden an karitative Organisationen aus seiner Privatschatulle waren beträchtlich. Aglaja sorgte dafür, dass die Spenderei diskret blieb, aber die Personen, auf die es ankam, vor allem Presseleute, davon erfuhren. Bereits zu seiner Zeit als Außenminister verteidigte sie ihn gegen Kritiker, die ihn für feig und kleinmütig hielten, indem sie mit kleinen Dosen von Verleumdungsanmutungen konterte. Sie hatte bereits während des Krieges beschlossen, aus Johann etwas Besonderes zu machen, denn das schon damals Besondere an ihm war, dass sie aus ihm etwas Besonderes machen zu können sich zutraute. Sie bepflanzte seinen Karrierepfad mit allerlei nützlichem und nahrhaftem Gesträuch, knüpfte Netze und spann Schir
me auf, die seinen Weg vor Aufschüttungen, Erosionen oder Abrutschungen durch klimatische Unbilden bewahrten. Sie war bei den Konservativen zu Hause, in der Kirche daheim und guter Gast bei Gewerkschaftern und manchen sozialdemokratischen Granden. Sie konnte mit Vielen. Wen sie aber nicht mochte, den konnte sie ziemlich reizen.
Lang hielt es Wais nicht in seiner kleinen Villa, er kehrte zurück und nahm vor der Zeit die Amtsgeschäfte auf. Schlechte Nachrichten prasselten auf ihn ein. Seine Wahl hatte seine Gegner nicht zur Aufgabe gebracht, sondern schien sie zu befeuern. Jeden Tag gab es irgendwo in der westlichen Welt mehrere Zeitungsberichte, in welchen über diverse Verbrechen, die er begangen habe, begangen haben könnte oder nur nicht begangen hatte, weil ihm Gelegenheit, Sachkunde oder Mut fehlten, berichtet wurde. Novacek, der sich erhofft hatte, als Pressechef des Bundespräsidenten könne er endlich eine ruhigere Kugel schieben und sich der Therapie seines Magenleidens zuwenden, wurde eingedeckt und zugeschüttet. Er musste sechzehn Stunden am Tag schuften, um immer alles jeweils ins rechte Licht zu rücken. Schließlich berannte er Wais tagelang, bis der ihm zwei Sekretäre bewilligte.
Der Sommer war vorüber. Es stellte sich heraus, dass Einladungen ausblieben. Kein Staat der westlichen Welt wollte einen Staatsbesuch von Wais haben. Im Ostblock und im arabischen Raum häuften sich jedoch die Wünsche, ihn groß und würdig bei sich zu empfangen.
»Wie sieht denn das aus?«, schnaubte Wais. Er stand am Fenster der Präsidentschaftskanzlei und sah auf den Heldenplatz hinunter. Er hatte, wie es seine Gewohnheit war, seinen Mitarbeitern den Rücken zugekehrt. Weber und Novacek mussten zu den beiden Armen sprechen, die
Wais an seinem Rücken hielt, wobei die Hände ineinander gefasst auf seinem Steiß ruhten. Bisweilen streckte er dort die rechte Hand aus und legte die linke darauf; immer wieder aber verschränkten sie sich.
Novacek entwickelte vom Tisch aus, an dem er saß, ein Konzept, wie man unter Einbeziehung von Jungnickel nun eine außenpolitische Offensive starten müsse, damit diese anscheinend noch unabsichtliche, aber bereits bemerkbare Blockade durch den Westen schon in ihrem Anfang durchbrochen werde. Weber warf Novacek einen irritierten Blick zu, bedeutete ihm, er möge mit dem Zeug aufhören, doch Novacek redete mit
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