Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Blicken zu durchbohren. Dieser hielt sich auffällig lange damit auf, seinen Gürtel festzuschnallen, und vermied es, in Jorims Richtung zu sehen. Für Jorim ein Zeichen dafür, dass Elvor sich schuldig fühlte.
»Junger Borkenfeuer, bitte halte dich zurück«, verlangte nun auch Bronn streng. Er fixierte dabei Elvor, und in seinen Augen lag etwas, das sich von Elgo, dem Säufer, deutlich unterschied. Schließlich wandte Jorim den Blick ab und brummte seine Zustimmung, dann eilte er los, ohne auf Elvor zu warten. Kurz darauf vernahm er Schritte hinter sich, verminderte sein Tempo jedoch nicht und hielt nach einer Spur von Enna Ausschau.
Eine ganze Weile hasteten sie stumm nebeneinander her, dann ergriff Elvor das Wort. »Ich habe Enna nicht dazu ermutigt, allein zu den Drachenbergen zu ziehen.«
»Ach nein?«, blaffte Jorim.
»Im Gegenteil. Ich habe nur betont, dass meiner Meinung nach meine Aufgabe darin liegt, Westendtal zu verteidigen und …«, Elvor hielt inne und sah mit gerunzelter Stirn zu Boden.
Alarmiert blieb Jorim stehen. »Und was?«
»Nun, ich habe ihr gesagt, dass jeder von uns die richtige Entscheidung treffen muss.«
Jorim schlug sich die Hände vors Gesicht und deutete dann nach Süden. »Ist dir eigentlich klar, dass du sie damit regelrecht in diese Berge getrieben hast?«
»Das war ihr überlassen, Jorim. Am Ende hat Enna ganz allein entschieden. Und dass ich es grundsätzlich für ratsamer halte, in Westendtal gegen Erinyen und Ghule zu kämpfen, habe ich ihr auch gesagt.« Zornig packte Elvor den Kragen seines Umhangs und zog ihn fester um die Schultern.
Jorim schnaubte und ballte die Fäuste. »Es ist ja auch kein Wunder, wenn Enna in die Gegenrichtung aufgebrochen ist, um möglichst viele Meilen zwischen dich und sich zu bringen.« Jorim stieß einen morschen Ast mit dem Fuß weg, dann legte er den Kopf in den Nacken und starrte in den Himmel. »Ich kann es nicht fassen«, wetterte er weiter. »Enna ist weg, und stattdessen haben wir eine Truppe zahnloser Helden, einen Säufer als Anführer und Elvor Sternenfaust, den Retter von Westendtal, der Erinyen und Ghule durch sein ohrenbetäubendes Magenknurren vertreiben will.«
Etwas traf ihn an der Schläfe. Ein derber Schlag, dann explodierten zahllose Farben vor seinen Augen. Jorim fiel um und schlug schmerzhaft auf dem Boden auf. Als er wieder klar sehen konnte, stand Elvor über ihm.
»Vielleicht ist Bronn wirklich kein Held, genauso wenig wie seine Gefährten. Und was mich betrifft«, Elvor seufzte und schüttelte den Kopf, »ich bin es sicher ebenso wenig – wie ich bei meinem Sturz in die Schlucht bewiesen habe. Und ja, unsere Lage ist aussichtslos, verzweifelt, und vermutlich wird unser Volk ebenso untergehen wie Menschen und Südelfen. Aber ich lasse mich weder von dir beleidigen noch mir die Schuld für Ennas Verschwinden zuschieben.« Zunächst hatte großer Zorn aus Elvors Worten gesprochen, seine Miene war angespannt gewesen, aber jetzt wurde er leiser und seine Schultern sackten nach vorne. »Ja, ich bin eingeschlafen, und das tut mir leid. Nur leider ist es nicht die Art der Halblinge, nach einem Mahl wach zu bleiben. Und auch ich mache mir Sorgen um Enna.« Er hielt Jorim seine Hand hin.
»Denkst du im Ernst, ich hätte sie aufhalten können, wenn sie wirklich den Entschluss gefasst hat, die Drachen zu suchen? Sie wäre so oder so in einem unbeobachteten Moment verschwunden, glaubst du nicht?«
Jorim saß noch immer im Gras und rieb sich seine schmerzende Schläfe, wo eine Beule zu schwellen begann. Er konnte es genau spüren. Zunächst sah er einfach nur zu Elvor auf, denn dieser hatte ihn überrascht. Elvor war ein Angeber und prahlte gerne. Dass er aber tatsächlich zuschlug, war für ihn genauso ungewöhnlich, wie zuzugeben, er sei kein Held und die Lage aussichtslos. Zögernd nahm Jorim schließlich die dargebotene Hand und erhob sich mit Elvors Hilfe. »Du hast recht. Niemand hätte Enna aufhalten können«, gab er leise zu.
Elvor nickte und lächelte erleichtert, wenn auch zurückhaltend, und als sie nebeneinander herschritten, erzählte er Jorim von seinem Gespräch mit Enna.
»Auch ich muss zugeben, dass ich inzwischen darüber nachgedacht habe, die Drachen suchen zu gehen«, gestand Jorim, nachdem Elvor geendet hatte.
»Ich wüsste nicht, wie man Drachen dazu bewegen könnte, einem zu helfen«, entgegnete Elvor.
»Ich auch nicht. Aber Enna und ich«, Jorim lächelte verträumt, »wir beide haben manchmal
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