Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
kauerten sich hinter ein Gebüsch, wo sie zunächst ihren hektischen Atem beruhigten. Dann spähten sie durchs Dickicht.
»Das kann doch gar nicht sein«, flüsterte Enna und schob vorsichtig einen Ast zur Seite. »Der Rauch ist anscheinend genauso entscheidungsfreudig wie der Rat.«
Tatsächlich waberte die Rauchwolke noch immer träge in den Baumspitzen nahe der hohen Holzkonstruktion. Diese überdachte die gewaltige Pfeife mit den fünf Holmen, und in der Mitte befand sich eine Auslassöffnung für den Rauch.
Auch die fünf Ratsmitglieder schienen ratlos zu sein. Da standen Eren Langschild von Nordbruch, Helebert Wassertreter von Westendweiler und Talund Krugbrecher von Hügelwald und starrten den Rauch verdrossen an. Selda Korbflechter – die Vorsitzende von Eichenhain und einzige Frau im Rat – und Brim Mühlenstein aus Flusstal saßen auf einem der vielen Findlinge, die auf der Lichtung verstreut lagen.
»So etwas habe ich in der Tat noch nicht erlebt«, hörte Jorim Selda sagen, wobei sich die Halblingsfrau gedankenverloren eine ihrer ergrauten Locken um den Finger wickelte. In ihrem grünen Kleid sah man sie auf dem mit Moos bewachsenen Felsen kaum.
Talund, einer der wohl beleibtesten Halblinge, die Jorim kannte, stach nicht nur durch seine Körpermaße hervor, sondern auch durch sein rotes Wams. Nachdenklich strich er sich über das Doppelkinn. »Ich sage euch, der Wind ist schuld.«
»Unsinn«, hielt Eren, der für einen Halbling recht hochgewachsen war, dagegen und stemmte beide Fäuste in die Hüften. Dann schüttelte er den Kopf und hielt einen Finger in die Luft. »Die Brise ist frisch wie immer. Es muss am Pfeifenkraut liegen.«
»Genau so ist es«, meinte Brim, der mit verschränkten Armen neben Selda saß. Im Gegensatz zu ihr war er in seinem hellblauen Umhang schon von Weitem zu erkennen. »Warum müssen auch Kornbrecher aus Flusstal plötzlich mit der Herstellung von Pfeifenkraut beginnen? Das hätten sie mal besser bleiben lassen sollen. Das Zeug ist viel zu schwer und beißend«, er deutete mit einem kurzen dicken Finger hinauf zu den Bäumen. »Seht nur, es beißt sich regelrecht an den Tannen fest.«
Allgemeines Gelächter brach aus, und auch Jorim und Enna mussten schmunzeln, hielten sich aber rasch eine Hand vor den Mund. Der Rat mochte es gar nicht, wenn man ihre wichtigen Sitzungen beobachtete oder belauschte.
»Ich habe schon beim ersten Zug die feinwürzige Note aus Hügelwald vermisst«, sagte Eren und streckte seine Zunge aus dem faltigen Gesicht hervor. »Stattdessen hab ich mir die Zunge verschmort, so als hätte ich ein Stück glühender Holzkohle gelutscht.«
»Mir hat es gar die Nasenhaare verkohlt«, warf Helebert ein und rieb sich über die dicke, gerötete Knollennase.
»Ist ja bei dem Gestrüpp, das dir aus der Nase wächst, kein Wunder«, tönte Talund so laut, dass seine ausladende Leibesfülle auf und ab wippte. »Pass nur auf, dass die Kornbrecher es dir nicht abschneiden und auch noch zu Pfeifenkraut verarbeiten.«
Dies sorgte nun für brüllendes Gelächter, dem sich lediglich Selda enthielt. »Ich weiß nicht, für mich sieht die Wolke eindeutig wie ein Eisenfuß aus«, sie sprang von ihrem Findling und tippelte einige Schritte vorwärts. »Seht nur, das dort könnte die behaarte große Zehe von Ludor Nimmersatt sein, und die Ausbeulung über der schiefen Tanne eine seiner geschwollenen Fersen.«
»Pah, ich finde das Ganze unsinnig. Das hilft uns bei der Entscheidung, ob Ludor seinen Namen ändern kann, nicht weiter!«, blaffte nun Brim. »Er sollte einfach weiterhin Nimmersatt statt Eisenfuß heißen. Nur weil er vor Wut mit dem Fuß gegen einen Stapel Hufeisen getreten und sich die Zehen gebrochen hat, muss man doch nicht gleich den Namen ändern, den sich sein Ur-Ur-Urgroßvater verdient hat! So ein Tritt ist doch nichts Besonderes.«
»Das nicht«, gab Helebert zu bedenken, »aber dass eines der Hufeisen danach im Scheunentor steckte, sehr wohl.«
»Ludors Scheunentor war ohnehin morsch«, sagte Selda mit einem Schulterzucken.
»Also ich bin dafür, wir eröffnen einfach ein neues Rauchorakel«, schlug Talund vor.
»Aber dieses Mal verwenden wir ein gaumengefälliges Pfeifenkraut«, murrte Brim.
Zustimmendes Gemurmel folgte, und die fünf begaben sich erneut unter das Dach, um zunächst einmal den Brennraum der Pfeife zu reinigen.
Jorim und Enna tauschten einen Blick und beschlossen, nicht länger abzuwarten. Ein wenig enttäuscht von den
Weitere Kostenlose Bücher