Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
ich muss das Leben in mir wieder mit einem ordentlichen Schluck Borkenschnaps entfachen.«
Jorim sah Enna an. »Rimbors Taverne?« Enna grinste und nickte. Schon liefen sie schnellen Schrittes in süd-östliche Richtung. Dort lag am Ostrand von Eichenhain ein rauschendes Birkenwäldchen, in dem Rimbor Birkenast das älteste Trinkhaus von ganz Westendtal führte. Immer noch auf der Anhöhe von Eichenhain gelegen, hatte man von der Taverne aus einen guten Blick nach Flusstal. Im Sommer, wenn die Tage lang waren, konnte man gar beobachten, wie die Sonne hinter den Schroffen Bergen versank und sich die langen Schatten gen Flusstal streckten. Nach und nach fiel dann das Glitzern der Flüsse der Nacht zum Opfer, bis es die Morgensonne wieder zu neuem Leben erweckte und so das Auge jener Halblinge erfreute, die die Nacht durchgezecht hatten – sofern die Feiernden dann noch klaren Blickes waren.
Begeistert rieb sich Jorim die Hände, als er die Lichter von Rimbors Tavernenhäuschen in der Dunkelheit ausmachte. Von Vorfreude erfüllt schritten sie noch schneller voran. Kurz bevor sie die Tür öffneten, hielt Enna an und deutete hinauf zu den Kronen des Birkenwäldchens. »Hörst du das?«
Jorim nickte. »Ja, es regt sich wieder ein Lüftchen in den Bäumen. Alles ist so, wie es sein soll.« Er seufzte zufrieden und stieß die Tür auf, wo die beiden von fröhlichem Gesang empfangen wurden:
… Eins, zwei, nein, nimm gleich vier,
Destilliert ist Schnaps, gebraut ist Bier.
Der Trunk so klar und süffig fein,
So würzig mild, trink nicht allein!
Wenn eines mühsam’ Tages Ende,
Zur lang ersehnten Schattenwende,
Dein Durst dich plagt mit garst’ger Pein,
Sollst du mit Freunden im Trinkhaus sein.
Drum trinkt ihr Brüder, trinkt ihr Schwestern,
Ihr Väter, Mütter, Töchter all,
Denn Arbeit, Mühsal waren gestern,
Spült Sorgen runter in einem Schwall!
Jorim wurde es bei den vertrauten Klängen warm ums Herz. Rasch hatte sein kundiges Auge einen Tisch erspäht, an dem für ihn und Enna noch Plätze frei waren.
»Tisch auf, Rimbor, tisch auf!«, rief er dem Wirt zu, während er eintrat. »Eile ist geboten! Bring uns einen, zwei, ach was vier vom wärmenden Borkentropfen und zwei Krüge von dem Freude spendenden Dunklen.«
»Hoho, da ist einer durstig!«, rief Rimbor und klapperte mit den Krügen. Rimbor Birkenast war für einen Halbling recht groß geraten, und die meist schwarze Kleidung und der seltsame Schlapphut ließen ihn sonderbar und älter erscheinen, als er eigentlich war. Rimbor zählte nämlich nur wenige Sommer mehr als Jorim. Beim Gedanken daran, wie Rimbors Familie einst zu dem Namen Birkenast gekommen war, musste Jorim schmunzeln: Es hieß, sein Urahn Elegrin habe eine Liebschaft mit einer ansehnlichen Halblingsdame namens Isa gehabt. Um eine lauschige Nacht zusammen zu verbringen, waren sie in dem Birkenwäldchen verschwunden, wo jetzt die Taverne stand. Als Isa dann anfing sich zu entkleiden, soll Elegrin vor Verzückung zurückgetaumelt und über einen heruntergebrochenen Birkenast gestolpert sein. Durch den Sturz hatte er gar seine Sinne verloren, doch erwachte glücklicherweise wieder unter Isas leidenschaftlichen Küssen. Danach beschloss er, seiner erlebnisreichen Nacht – die angeblich noch aus mehr als einem Birkenast und einem Kuss bestanden haben soll – ein Denkmal zu setzen. So hatte er damals in dem Birkenwäldchen diese liebliche Taverne errichtet, die vor vielen, vielen Sommern den Namen Elegrins Taverne trug und heute eben Rimbors Taverne hieß.
Stöhnend ließen sich Jorim und Enna nun am Tisch nieder.
»Na, ihr beiden hattet wohl einen beschwerlichen Tag?«, wollte Ludor Nimmersatt wissen – der vom Schicksal geplagte Schmied, dessen Namenswechsel vorher beim Rauchorakel diskutiert worden war.
Etwas verlegen rieb sich Jorim den Nacken. »Nun, also wir waren …«
»In Flusstal, Mehlsäcke holen«, warf Enna ein, ehe Jorim sie beide noch in eine missliche Lage brachte.
»Ah, verstehe.« Damit gab sich Ludor anscheinend zufrieden. Er bekam glitzernde Augen, als Rimbor zwei Humpen Bier und vier Gläser des beliebten Borkenschnapses mit lautem Gepolter auf dem Tisch abstellte. Jorim rümpfte die Nase, denn Ludor stank nach verbranntem Horn. Jedes Mal wenn er einem Pony ein Eisen in die Hufe brannte, stand er mitten im schwelenden Rauch, hielt es aber anscheinend nicht für nötig, sich danach gründlich zu waschen.
»Ich hoffe, Jorim hat dich die Säcke nicht alleine schleppen
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