Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
das sie weckte. Jorim blinzelte vorsichtig und spähte hinaus auf die Lichtung. Wieder tanzten Lichtpunkte umher, doch dieses Mal war es das Licht der Sonne, das in feinen Strahlen durch den Blätterbaldachin des Riesenbaumes fiel und den Boden sprenkelte. Von den Irrlichtern war nichts zu sehen. Jorim erhob sich, und nach und nach schälten sich auch die anderen Halblinge aus ihren Decken.
»Seht mal dort!«, rief Enna. Ihre Hand deutete auf den Riesenbaum in der Mitte der Lichtung. »Da fließt Wasser hinab.«
Tatsächlich glitzerte der Stamm feucht in den Sonnenstrahlen, und bei genauerem Hinsehen konnte man unzählige Rinnsale erkennen, die am Fuße des Baumes in einen kleinen Teich mündeten.
Jorim zögerte nicht, er lief über die Lichtung, wobei er sich nach allen Seiten umsah, dann ging er zu dem kleinen Teich und kostete das Wasser.
»Es schmeckt wunderbar! Süßlich und ein wenig harzig im Abgang, aber gut.« Emsig füllte er seine Wasservorräte auf, und seine Freunde taten es ihm gleich.
Natürlich gaben sie sich zunächst einem reichhaltigen Frühstück hin, ehe sie dem neuen Tag begegnen wollten.
»Ich frage mich, wo sie alle hin sind.« Jul sprach mit vollem Mund und schob sich sogleich noch ein weiteres Stück Brot hinein.
»Natürlich haben sie uns verlassen, und wir sitzen nun in diesem verflixten Labyrinth fest!«, beschwerte sich Elvor.
»Weshalb sollten wir das tun?«, erklang eine bekannte, glockenhelle Stimme in der Luft.
»Aber …« Elvor sah sich verwundert um.
»Wo bist du?«, fragte Enna und erhob sich.
»Vor deiner Nase«, kam es als Antwort.
»Weshalb können wir dich nicht sehen?« Auch Jorim stand nun auf und suchte das Irrlicht.
»Ich bin aus Sonnenlicht, und im Licht der Sonne schwebe ich gerade. Seht her!«
Jorim nahm eine Bewegung wahr, und endlich konnte er das Irrlicht erkennen. Es flog in den Schatten und wurde sogleich als heller Schimmer sichtbar. Hätte Jorim nicht bewusst danach gesucht, er hätte es wohl nie erkannt.
»Wenn ihr euer Gelage beendet habt, so kann ich euch den Weg weisen.«
»Unser Weg führt weiter durch die Vergessenen Täler«, erklärte Nespur. »Die Suravan-Berge sind unser Ziel.«
»Ein langer Weg«, gab das Irrlicht zu bedenken, »doch ich kann ihn ein wenig abkürzen, wenn ihr mir auf geheimen Pfaden durch das Felsenlabyrinth folgen wollt.«
»Nun gut, dann schreite … ähm … flattere voran«, entschied Nespur. »Wir folgen dir.«
»Das ehrt mich!«, rief das Licht fröhlich, und nachdem sie ihre Sachen zusammengepackt hatten, flog es langsam voraus. »Ich genieße eure Gesellschaft. Ihr seid so«, kurz schwebte das Irrlicht auf der Stelle, als überlege es, »so liebenswert – selbst der stets maulende –«
Alle Augen richteten sich auf Elvor, doch da sprach das Irrlicht schon weiter. »Ihr habt die größten Füße, die ich je zu Gesicht bekommen habe, und setzt sie doch mit so viel Sorgfalt auf den empfindlichen Boden des Waldes.«
Jorim lachte, als er sah, wie Jul stehen blieb, seinen pelzigen Fuß anhob und nach vorne streckte, um ihn zu betrachten.
»Gar nicht so einfach, bei dem dicken Bauch, nicht wahr?«, zog ihn Elvor auf.
»Achte lieber auf deine eigenen Füße, die Schlange dort ist sicher giftig«, rief Enna und deutete auf den Boden vor seinen Füßen. Elvor machte einen Satz in die Luft, doch bei der vermeintlichen Schlange handelte es sich nur um einen Ast.
»Seht nur«, rief Jorim, »er hüpft wie ein Irrlicht!«
Elvors buschige Augenbrauen zogen sich zusammen. Jorim befürchtete schon das Schlimmste, doch plötzlich entspannte sich Elvors Gesicht wieder.
»Hab Dank für deine Aufmerksamkeit, liebe Enna, und sei versichert: Wäre es eine Schlange gewesen, ich hätte sie für dich beseitigt.«
»Dessen bin ich mir ganz sicher«, erwiderte Enna unbeeindruckt.
»Glaubst du mir etwa nicht? Ich bin ein Sternenfaust, wie kannst du da an mir zweifeln?« Elvor blickte nun erneut ein wenig missmutig drein.
»Lass mich mal geschwind nachdenken, Elvor.« Jorim kratzte sich am Hinterkopf und blies die Wangen auf. Dann stieß er die Luft aus.
»Was?«, wollte Elvor wissen.
»Nein.« Jorim schüttelte den Kopf.
»Was, nein?«
»Nein, du hast noch keine glorreichen Taten vollbracht. Den Namen Sternenfaust musst du dir erst noch verdienen.«
Jorim erwartete schon eine scharfe Erwiderung, erlebte aber eine Überraschung. Elvor betrachtete ihn nur mit ernstem Blick, dann ließ er die Schultern hängen und starrte
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