Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
gleichzeitig lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Da stand Jul Mühlenstein, und mehrere seiner Beutel hingen schwer gefüllt mit Pilzen an ihm herab, schleiften fast schon über den Boden. Seine Hose wurde von dem Gewicht bedrohlich nach unten gezogen, und so hielten seine Hände den Ledergürtel fest, um zu verhindern, dass er sich im wahrsten Sinne des Wortes eine Blöße gab.
»Nachdem wir Zeit gespart haben«, stammelte Jul, »dachte ich, dass wir endlich mal wieder was essen könnten.«
»Wir haben heute Morgen erst gefrühstückt, und außerdem«, Elvor deutete nach Osten, »sagt die Sonne, dass es noch immer Morgen ist.«
»Mein Bauch sagt da aber was anderes«, entgegnete Jul.
»Meiner auch«, stimmte ihm Enna zu.
Nespurs Augen glitten über die Pilze, dann wandte er sich nach Süden, und schließlich beäugte er wieder Juls prall gefüllte Beutel und rieb sich übers Kinn. »Also schön. Ein guter Einfall eigentlich. Ich denke, hier im Schutz der Bäume werden wir schon irgendeine Felsnische finden, wo wir ein feines Mahl zubereiten können.«
»Na dann«, Jorim klatschte in die Hände, »lasst uns köstlich speisen!«
Hatte Elvor sie eben erst noch an das Frühstück erinnert, so half er nun doch recht emsig beim Pilze schneiden und Kräuter zerstampfen. Es dauerte nicht lange und schon brodelte ein üppiger Pilzeintopf über dem Feuer, das sie am Rande des Felsenlabyrinths entzündet hatten, und ein verlockender Duft breitete sich aus.
Eigentlich hatte sie nur die nächste Anhöhe erklimmen wollen, um einen besseren Ausblick auf die Südlande zu erhalten. Doch nun erreichte ein sonderbarer, wenn auch nicht übel riechender Duft ihre feine Nase. Sie kletterte weiter hinauf, schlüpfte schließlich zwischen einigen Bäumen hindurch und blieb stehen, während sie ihre schlanke Hand auf die borkige Rinde einer Eiche legte. Dann schloss sie die Augen und ließ die Fingerspitzen über das Holz gleiten. Nein, die Bäume verströmten keinerlei Unbehagen, wirkten friedlich und entspannt. Sie öffnete die Augen wieder, schlang ihren Umhang um die Schultern und schlich leise über den weichen, federnden Waldboden, immer dem Geruch nach.
Als sie ein Schmatzen vernahm, hielt sie an und horchte angespannt, folgte dann leise dem Geräusch und ging schließlich hinter einem Fels in die Hocke. Langsam beugte sie sich nach vorn und lugte aus ihrer Deckung hervor. Was sie sah, überraschte sie. Eine Gruppe, offensichtlich waren es Reisende, verspeiste laut schmatzend einen Eintopf, der, wie sie am Geruch erkannte, aus Pilzen dieses Waldes und einer Vielzahl von Kräutern bestand. Es gab seltsame und gefährliche Vorkommnisse in den Südlanden. Dies zumindest hatten die Flüchtlinge – jene, die entkommen waren – berichtet. Die Trägerinnen von Fackel und Geißel sollen sich erhoben und die Länder von Menschen und Elfen überrannt haben. Grausam und unaufhaltsam sei das Volk der Erinyen, und sie, Alvendorah, jüngste Tochter aus dem Hause Enduriel, dem Herrscherhaus der Nordelfen, war gesandt worden, um herauszufinden, ob Gefahr für die Nordlande drohte. Umso mehr verwunderte sie nun die sorglose Rast dieser fünf kleinen Wesen. Sie beschloss, die Gruppe vor ihr noch ein wenig genauer zu beobachten, und während sie wartete, prüfte sie die Sehne ihres Bogens und den Sitz der langen, tödlichen Pfeilspitzen.
10. ZU NEUEN UFERN
Hanafehl hob den Kopf und musterte den Himmel. Ein leises, zufriedenes Grunzen entwich seiner Kehle, denn selbst das Wetter schien sich seinem Willen zu fügen. Dunkle Wolkenberge schoben sich beständig näher, wie eine Armee gewaltiger, finsterer Streiter, die zur Schlacht gegen die Sonne rüsteten. Auch Hanafehl hasste den gleißenden Feuerball. Seine Liebe galt der Nacht, er mochte die Dunkelheit, genoss es, wenn sie mit ihrem kühlen Hauch über sein Gesicht strich. Doch heute musste er sich dem schmerzenden Licht stellen, und sei es nur, um seine Macht und Überlegenheit zu demonstrieren. Aus diesem Grund hatte er den Tag und dieses karge Tal für seine Entscheidungsverkündung gewählt. Zudem hatte er hier, in dem von brüchigem Fels umrahmten Talkessel, seinen Vorgänger Ydrax vor den Augen aller Ghule besiegt. Ydrax war schwach gewesen, und Hanafehl hatte es genossen, mit der Schwäche seines Gegners zu spielen. Als er dann am Ende den Schädel seines Widersachers mit seinen gewaltigen Händen umfasst und an eben jenem Fels zerschmettert hatte, waren sein Triumph und
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