Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
war eine gute Idee gewesen, das Unwetter abzuwarten.
Viele Augen blickten angsterfüllt zum Himmel, dann zu Hanafehl. Der Fürst der Ghule fragte sich, wie viele seines Volkes nun glauben mochten, er sei mit den Mächten der Natur im Bunde.
Tatsächlich gab es keinen Widerspruch mehr. »Wir folgen dir«, zischelte der alte Ghul.
»In den Krieg nach Norden«, gurrte ein anderer.
»Um unseren Hunger zu stillen!«, riefen die Ghule einstimmig.
»So ist es beschlossen.«
Hanafehl ließ den Blick zufrieden über die Versammelten schweifen, dann winkte er zwei Ghule herbei.
»Geht zu Zervana«, sagte er zu den beiden, bei denen es sich um kleine, unscheinbare Wesen handelte. »Erscheint nachts und teilt ihr mit, dass wir ihren Zug nach Norden unterstützen und auf weitere Anweisungen warten.«
Die Ghule deuteten eine Verbeugung an, dann schlichen sie davon. Währenddessen beobachtete Hanafehl die Naturgewalten am Himmel. Alles lief so, wie er es sich wünschte. Seine Kundschafter würden ein oder zwei Nächte zu spät eintreffen, was Zervanas Ärger schüren würde. Andererseits würde sie in den beiden Ghulen, die er ausgewählt hatte, zwei schwache Exemplare sehen, und dies wiederum würde sie in Sicherheit wiegen und ihrer Arroganz weitere Nahrung geben.
Hanafehl war zufrieden, und schließlich wandte er sich ab, um die angenehm feuchte Dunkelheit seiner Höhle aufzusuchen.
Zufrieden sank Jorim auf den weichen Waldboden und schaute hinauf zu den Baumkronen, die in der Morgenbrise leicht hin und her wogten und dabei ein Lichterspiel mit den Strahlen der Sonne veranstalteten.
»Es war ein wirklich köstliches Mahl, das du da zubereitet hast, Jul«, hörte er Enna sagen.
»Köstlich, und es will verdaut werden«, stimmte er zu und breitete die Arme seitlich aus.
»Aber nicht im Liegen, sondern während des Laufens.« Mit seiner rauen Stimme vertrieb Nespur Jorims Gedanken an ein Nickerchen. Doch natürlich wusste Jorim, dass sie sich beeilen mussten und Müßigkeit kein guter Ratgeber in diesen gefährlichen Tagen war.
»So sehe ich das auch«, gab Elvor zum Besten.
»Elender Schmeichler«, murrte Jorim, erhob sich aber rasch, denn er wollte schließlich nicht derjenige sein, der ihre Mission aufhielt.
So packten sie also geschwind ihre Sachen zusammen. Jorim bemerkte, wie sich Enna schnell eine Hand vor den Mund hielt, um einen Lachanfall zu unterdrücken. Er folgte ihrem Blick und sah Nespur, dessen eines Auge sich entsetzt geweitet hatte, während er Jul beobachtete, wie er ungeniert den Topf und sämtliche Teller ausleckte und sie dann unter seinem ausladenden Umhang verstaute.
Räuspernd wandte sich Nespur ab und wies dann mit einem Spazierstock, den er sich während der Rast gesucht hatte, über die Wiese. »Wir ziehen hangabwärts und umrunden den Grenzsee im Westen. Dies spart Zeit.«
Er wirbelte seinen Stock durch die Luft, nickte zufrieden und marschierte los, wobei er geradewegs auf den Steilhang zuhielt. Die anderen folgten ihm.
Sie hatten in etwa die Hälfte des Abhangs überquert, als Nespur abrupt stehen blieb. »Ein gewaltiges Unwetter, das dort unten tobt.« Er deutete nach Südwesten, wo schwarze Wolkenberge die Gipfel Barantors umfangen hielten.
»Die spitzen Berge von Barantor«, flüsterte Jul. »Manche nennen sie auch ›die Knochenfinger der Ghule‹.«
»Mein linkes Lid zuckt. Das bedeutet nichts Gutes.« Nespur schob einen Finger unter die Augenklappe und rieb sich das blinde Auge.
»Ach was«, erwiderte Elvor. »Das sind doch nur Wolken mit viel Wasser drin und ein paar Blitze.«
Nespur ging nicht weiter darauf ein, sondern bedeutete den anderen, weiterzugehen.
»Viel wichtiger wäre es zu wissen, was unter den Wolken vorgeht«, überlegte Jorim laut.
»Du meinst die Ghule?« Enna gesellte sich neben ihren Bruder.
»Ich frage mich, ob die Totenesser sich wirklich mit den Erinyen zusammentun.«
»Eine solche Allianz kann ich mir kaum vorstellen.« Elvor schüttelte den Kopf.
»Und ich will es mir überhaupt nicht vorstellen«, warf Jul ein.
»Eben«, sagte Enna. »Sie würden Westendtal überschwemmen wie ein Schwarm Heuschrecken ein einziges Blatt.«
»Ghule und Erinyen«, Elvors buschige Brauen zogen sich zusammen, »verschiedenartiger geht es doch kaum. Sie unterstützen einander bestimmt nicht.«
»Vielleicht sind die Erinyen ja mächtig genug, um die Ghule notfalls mit Gewalt in die Schlacht zu zwingen, wenn diese sich ihnen nicht freiwillig anschließen«,
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