Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Jul, »das ist hilfreich.«
»Nehmt die Decken und wickelt darin ein paar der Äste ein«, schlug Nespur vor. »Aber achtet darauf, dass sie nicht zu schwer sind und ihr sie noch tragen und werfen könnt!«
»Morsches Holz ist nicht so schwer«, entgegnete Elvor, während er rasch zwei dicke Aststücke mit einer Decke umhüllte. Als sie genug beisammen hatten, schnürten sie die Decken mit einem zerschnittenen Strick zu und machten sich auf den Rückweg zur Mine. Das Summen wurde während des Marschs immer heftiger und wirkte in der Nacht unangenehm laut.
Als sie ihren Felsvorsprung wieder erreicht hatten, gingen sie in Deckung und beobachteten die Geschehnisse an der Mine aus sicherer Entfernung.
Mittlerweile war Wind aufgekommen und jagte unzählige Wolkenfetzen über den vom Mond erhellten Nachthimmel. Wie zur Reglosigkeit erstarrte Geister standen die vier Erinyen in der Dunkelheit, während ihre zerrissenen Umhänge im Nachtwind flatterten und ihre glimmenden Fackeln ungleichmäßig pulsierten.
Ein Schauder lief über Jorims Rücken, als er an ihren Plan dachte. Doch schnell verwarf er seine düsteren Gedanken, bevor ihn diese einschüchtern konnten.
»Wir müssen noch klären, wer in den Stollen geht und wer hierbleibt, um die Flucht zu decken«, unterbrach Nespur die Stille. »Ich würde mich bereit erklären, hineinzugehen.«
»Ich komme mit«, riefen Jorim und Elvor gleichzeitig.
»Nein, das ist meine Aufgabe!« Elgo richtete sich auf. »Ich muss es tun.«
»Weshalb?«, wollte Enna wissen.
»Warum musst du es tun?« Auch Jorim blickte den ergrauten Halbling fragend an.
Elgo räusperte sich. »Nun, wie ich schon sagte, war ich schon mehrmals hier und«, er senkte den Kopf, »… und habe versagt.«
»Du warst allein«, versuchte Enna ihn zu trösten.
»Dennoch«, entgegnete Elgo entschieden, »ich gehe mit, und niemand wird mich heute daran hindern.« Er klang so entschlossen, dass auch Nespur stutzte, dann aber zustimmend nickte.
Jorim und Elvor musterten Elgo kritisch.
»Ich werde euch dennoch begleiten«, meinte Jorim schließlich. Er fand es nicht richtig, Nespur allein mit einem Säufer in den Stollen gehen zu lassen.
Elvor wollte offenbar protestieren, doch Enna kam ihm zuvor. »Hier, zieht«, sagte sie und hielt ihm und Jorim zwei Grashalme hin. »Wer den längeren hat, geht mit Nespur und Elgo.«
»Wäre die Lage nicht so ernst und wir in Rimbors Taverne, hätte ich jetzt eine passende Bemerkung parat«, entgegnete Elvor und grinste anzüglich.
»Eine Bemerkung, die wir ganz bestimmt nicht würden hören wollen«, warf Jul ein.
»Schon gut. Was dagegen, wenn ich den Anfang mache?«
Jorim schüttelte den Kopf. Langsam streckte Elvor seine Hand aus, überlegte kurz und zog schließlich einen der Halme. Jorim nahm den anderen, hielt ihn neben Elvors und grinste siegessicher. »Ich habe den längeren.«
Enna stieß ihren Bruder in die Seite. »Unterschätzt den Ernst der Lage nicht!«
»Tun wir nicht«, versicherte Jorim.
Als sich schließlich die Sonne über den Horizont schob und ihre ersten Strahlen über den Himmel sandte, machten sich Jorim, Nespur und Elgo bereit für den Aufbruch. Jorim packte noch rasch zwei der Bienenhölzer ein – vielleicht würden sie sich in den Stollen als nützlich erweisen – und ging dann auf seine Schwester zu. Einen Moment lang betrachtete er Enna, dann umarmte er sie.
»Gib auf dich acht.« Enna schluckte schwer und rang sichtlich um Fassung. »Du kommst da wieder heil heraus, hörst du?«
»Was denkst du denn? Glaubst du im Ernst, ich richte mich da unten ein, wo ich doch ein so gemütliches Baumhaus habe?«
Enna lächelte. »Ja, natürlich. Und im Notfall komme ich dich holen.«
»Abgemacht«, entgegnete Jorim grinsend und sah dann zu Jul und Elvor. »Passt auf sie auf.«
Beide nickten. »Das werden wir.«
»Es ist Zeit, wir müssen los«, unterbrach sie Nespur.
Und so machten sich die drei auf den Weg, gingen zunächst ein Stück weit nach Norden zurück, um nicht auf ihr Lager aufmerksam zu machen, und wanderten dann direkt auf die Mine zu. Damit sie nicht allzu merkwürdig aussahen und deshalb von den Erinyen getötet wurden, wischten sie sich notdürftig das Arnkraut aus dem Gesicht. Der Gestank haftete ihnen ohnehin an.
Kurz bevor sie die Mine erreichten, hielt Elgo den anderen erneut seine Flasche hin. »Ich weiß, ihr haltet mich für einen Säufer«, meinte er, »und wahrscheinlich bin ich das auch. Aber ich scherze nicht.
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