Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
und mit den Gefangenen wieder hinaus!«
Jorim seufzte und ließ sich wieder zurücksinken, auch wenn es ihn drängte, loszuschlagen.
»Noch ist es dunkel«, warf Elvor ein, »wenn wir uns beeilen und die Bienen holen, ehe es hell wird, könnten wir uns an den Erinyen vorbeischleichen.«
»Du hast ja nicht die geringste Ahnung, wie wachsam eine Erinya ist!«, klärte Elgo ihn auf.
»Und ich nehme an, du weißt es ganz genau«, höhnte Elvor.
»Allerdings!« Elgo sah ihn unbeirrt an.
»Ruhe jetzt!«, unterbrach Nespur die beiden. »Lasst uns mal nachdenken. Auch ich bezweifle, dass wir unbemerkt in die Mine gelangen können. Aber wir könnten …« Nachdenklich fuhr er sich übers Kinn.
»Was?«, drängte Jorim.
»Ganz offen hineinspazieren«, beendete Nespur seinen Satz.
Die anderen starrten ihn an.
»Morgen, bei Sonnenaufgang«, fuhr Nespur fort, »gehen wir zu den Erinyen und sagen, wir seien neue Minenarbeiter.«
»Und woher willst du wissen, dass sie uns nicht auf der Stelle töten?« Elvor fuhr sich mit dem Finger über die Kehle.
»Wir behaupten einfach, Zervana schickt uns!«, kam Jorim Nespurs Antwort zuvor. »Wenn wir ihnen erzählen, die Erinyen-Herrscherin wolle mehr Silber zutage fördern, werden sie es kaum wagen, uns zu töten.«
»Genau«, pflichtete Nespur ihm bei und ließ seinen Blick über die Halblinge schweifen.
»Könnte funktionieren«, gab auch Enna zu.
»Und wie geht es dann weiter?«, fragte Jul. »Sicher gibt es im Stollen noch mehr Erinyen.«
»Wenn wir auf die Gefangenen treffen«, erklärte Nespur, »werden wir mit ihnen ganz normal auf die Karren steigen, um nach draußen zu fahren und unsere Fracht abzuladen. Sind wir dann erst einmal hier«, Nespur deutete nach unten auf den Bereich vor dem Mineneingang, »treiben wir die Ponys an und flüchten.«
»Und genau das ist der Zeitpunkt, wo die Terrorbienen ins Spiel kommen«, ergänzte Jorim. »Diejenigen von uns, die hier bleiben, schleudern das Holz auf die Erinyen und decken so unsere Flucht.«
»Das könnte klappen«, stimmte Nespur zu. »Doch es könnte auch sein, dass wir alle bei dem Versuch sterben.«
Die Gefährten schwiegen und sahen einander ernst an.
»Aber wir können Angehörige unseres Volkes nicht hier zurücklassen, wo ihnen der baldige Tod gewiss ist, oder?« Elgo hatte leise gesprochen, doch seine Stimme klang entschlossen. Alle blickten ihn an. »Ihr wisst ja nicht, wie oft ich schon hier gewesen bin und verzweifelt überlegt habe, wie ich sie nur befreien könnte.«
Beschämt wandte er den Blick ab, und schon war die Flasche wieder an seinem Mund.
»Betrinkst du dich deswegen?«, fragte Enna. Elgo presste die Lippen aufeinander. Dann schluckte er den Borkenschnaps hinunter und rang sich ein Lächeln ab.
»Es ist der einzig wahre Schutz gegen eine Erinya, Mädchen, glaub mir.«
Er hielt ihr die Flasche hin, und ohne den Blick von Elgos dunklen Augen abzuwenden, nahm Enna sie entgegen und trank. Ihr Gesicht verzog sich, und sie reichte die Flasche an Jorim weiter.
»Wir sollten erst die Bienen holen«, flüsterte Nespur. »Geht zurück zum Dickicht. Ich suche Arnkraut und treffe euch dann dort.«
Die Mitte der Nacht war bereits verstrichen, als Nespurs schwarz gekleidete Gestalt sich endlich aus der Dunkelheit löste und wieder zu ihnen gesellte. Sie hatten sich erneut unter den Haselnusssträuchern versteckt und dort auf ihn gewartet. Ein stechender Geruch begleitete den Fährtenleser, und Jorim und Enna rümpften die Nasen, während Elvor und Jul sogar die Köpfe abwandten. Elgo hingegen hielt sich einfach die geöffnete Flasche direkt unter die Nasenlöcher.
»Arnkraut!« Nespur hob triumphierend ein dickes Büschel des übel riechenden Gewächses in die Luft. Eigentlich handelte es sich nur um handtellergroße, dicke Blätter, die ihren Geruch erst dann entfalteten, wenn man sie zerrieb. Ganz offensichtlich hatte Nespur das schon getan, zudem war die grünliche Paste in seinem Gesicht und an seinen Händen gut zu erkennen.
»Hier«, Nespur verteilte großzügig die Blätter, »zerdrückt es und reibt euch ein. Und seid bloß nicht zu sparsam damit!«
Als sie mit der unangenehmen Prozedur fertig waren, nahmen sie einige Decken und suchten das Gehölz mit den Bienenbehausungen auf. Terrorbienen nisteten bevorzugt in abgestorbenen Baumstämmen oder am Boden liegenden morschen Ästen. Davon gab es hier mehr als genug.
»Glücklicherweise sind diese Bienen kaum aktiv bei Dunkelheit«, sagte
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