Der Kampf des Geisterjaegers
die Schnur und mit einem Zischen verbrannte sie. Nur der leichte Geruch nach verbranntem Haar blieb noch und Alice ließ die verkohlten Reste ins Wasser fallen.
Danach zog sie Mab auf die Füße, nahm sie am Arm und schob sie auf dem Pfad am See entlang. Vorsichtig folgte ich ihnen, damit ich ja nicht hinfiel, und beobachtete misstrauisch das Wasser. Plötzlich trieb etwas Großes an die Oberfläche. Im Schatten dicht vor der gegenüberliegenden Wand tauchte ein großer Kopf auf, mit Haaren, die oben auf dem Kopf zerzaust und verworren waren und sich an den Seiten bauschten. Das Gesicht war bleich und aufgedunsen, die Augen leere Höhlen, und als die Nase auftauchte, schnüffelte es laut wie ein Bluthund auf der Suche nach Beute.
Doch ein paar Augenblicke später waren wir im Tunnel auf der anderen Seite in Sicherheit und die augenblickliche Gefahr war überstanden. Mab war nass und schmutzig, ihre Zuversicht dahin. Alice jedoch hatte ich, seit wir in Pendle angekommen waren, noch nie so glücklich gesehen.
»Dafür können wir uns bei der toten Maggie bedanken«, sagte sie und grinste mich breit an. »Die hat mir zugeflüstert, was ich wissen musste. Ein Wicht war das und leicht zu erschnüffeln. Der bewacht immer diesen Weg. Die haben ihn gut ausgebildet. Er würde nie jemanden mit Malkin-Blut in den Adern angreifen. Ich bin zwar dem Namen nach eine Deane, aber ich bin trotzdem auch eine halbe Malkin. Deshalb solltest du weiter hinten laufen. Mab war am meisten gefährdet.«
»Das ist nicht schön, hereingelegt zu werden«, beschwerte sich Mab. »Aber ich will mich nicht weiter beklagen. Nicht, solange ich meine Truhen bekomme.«
»Ich habe meine Haarsträhne wieder, also beklage ich mich auch nicht«, grinste Alice. »Und wenn du diese Truhen willst, dann müssen wir zuerst Toms Familie gesund und unversehrt finden. Also keine Tricks, sonst wirst du es bereuen!«
»Ich habe nicht vor, Tom zu betrügen«, gab Mab zurück. »Er hat mir zufällig gerade das Leben gerettet, als er den Wicht mit dem Stock gestoßen hat. Das vergesse ich so schnell nicht.«
»Ooohh, er hat mir zufällig das Leben gerettet«, äffte Alice sie nach. »Das habe ich zufällig auch, falls dir das nicht aufgefallen sein sollte.« Damit griff sie Mab wieder an den Haaren und zwang sie, ihr im Tunnel vorauszugehen.
Mab tat mir leid. Es schien mir unnötig, so grob zu ihr zu sein, und das sagte ich Alice auch.
Widerwillig ließ sie Mabs Haare los und wollte gerade etwas sagen, als wir beide abgelenkt wurden. Nach etwa dreißig Schritten hielten wir vor einer großen Holztür in einer Steinmauer. Scheinbar hatten wir einen Eingang zum Malkin-Turm erreicht.
Die Tür hatte einen Riegel und darunter ein Schloss. Ich ließ Alice die Kerze halten, und sie zog Mab auf die Seite, während ich langsam den Riegel hob und versuchte, dabei keinen Lärm zu machen. Als ich daran zog, ging die Tür nicht auf. Sie war verschlossen. Doch das war kein Problem, da Andrew, der Bruder des Spooks, ein Schlosser war. Alice nahm die Kerze zwischen die Zähne und reichte mir den Spezialschlüssel, den ich ins Schloss steckte und umdrehte. Mit Befriedigung nahm ich wahr, dass das Schloss nachgab.
»Fertig?«, flüsterte ich und gab Alice den Schlüssel wieder.
Sie nickte.
»Und bitte keine Streitereien mehr. Seid einfach still, bis wir meine Familie gefunden haben und von hier verschwinden können«, bat ich.
»Und ich meine Truhen habe«, ergänzte Mab, aber Alice und ich ignorierten sie.
Wieder hob ich den Riegel und öffnete langsam die Tür.
Drinnen war es stockdunkel, aber es roch so stark nach Fäulnis und Verwesung, dass sich mir fast der Magen umdrehte. Tod lag in der Luft.
Alice rümpfte angewidert die Nase und kam mit der Kerze durch die Tür. Vor uns lag ein Gang, von dem auf beiden Seiten Zellentüren ausgingen, in Kopfhöhe befand sich in jeder dieser Türen ein vergittertes Loch. Ganz weit hinten schien ein viel größerer Raum ohne Tür zu sein. War meine Familie in einer dieser Zellen?
»Du passt auf Mab auf«, befahl ich Alice. »Gib mir die Kerze, dann sehe ich in den Zellen nach ...«
An der ersten Zelle hielt ich die Kerzenflamme dicht an die Gitter in der Tür. Sie schien leer zu sein. Die zweite hatte einen Bewohner, ein mit Spinnweben bedecktes Skelett in zerrissenen Hosen und einem fadenscheinigen Hemd, das mit Armen und Beinen an die Wand gekettet war. Wie war dieser Gefangene gestorben? Hatte man ihn einfach hiergelassen und
Weitere Kostenlose Bücher