Der Kapuzenmörder
zwängte er sich in das Loch. Corbett hörte ihn in dem Tunnel rascheln wie einen Fuchs in seinem Bau. Nach kurzem, angespanntem Warten tauchte Ranulf wieder auf, lehmbeschmiert, aber grinsend von einem Ohr zum anderen.
»Der Tunnel wird immer breiter, je näher man unten an die Mauer herankommt«, berichtete er.
»Und die Mauer selbst?«
»Nur ein Loch. Anscheinend hat unser Dieb sich einfach durchgehackt, hat den Stein zerbröselt, indem er ein kleines Feuer anzündete, und die Bröckchen dann in Säcken herausgeschleppt und zwischen den Gräbern verstreut.«
»Das würde Monate dauern!« wiederholte Limmer ungläubig.
»Aber es geht«, erwiderte Corbett. »Ich habe Bergleute in der königlichen Armee gesehen, die ähnliche Erfolge an Burgmauern erzielten. Bedenkt, es ist ja keine natürliche Felswand, sondern von Menschenhand geschaffene Steinblöcke. Hat man sie einmal gespalten, braucht man sie nur noch hinauszuschaufeln.«
»Und der letzte Stein?« fragte Cade. »Der, den Ranulf in der Krypta gefunden hat?«
»Da endet der Tunnel«, sagte Ranulf. »Aber wenn man sich dagegenstemmt und mit den Füßen drückt, dann gleitet der Stein leicht hinaus und hinein. Unser Dieb hat sogar einen kräftigen Haken angebracht, um ihn wieder an seinen Platz zu ziehen. Und wenn er weggeschoben ist, hat man einen natürlichen Eingang zur Krypta und zu den Schätzen der Krone.«
Corbett sah sich auf dem einsamen Friedhof um. »Wir haben es also mit einem Mann zu tun, der wahrscheinlich nachts arbeitete. Er fängt hier an und gräbt sich in den weichen Lehmboden, bis er die Grundmauern erreicht. Dann meißelt er sich durch das Mauerwerk, nachdem er es vermutlich zuvor durch ein Feuer zermürbt hat, um dann die Früchte seiner Arbeit in Säcken hinauszutragen. Schließlich nimmt er den letzten Stein in Angriff, lockert ihn und bringt einen Eisenhaken an, damit er ihn hinein- und hinausschieben kann. Der Dieb nimmt sich ein bißchen vom goldenen und silbernen Geschirr, aber seine eigentliche Beute sind die Münzsäcke.« Er schaute sich um. »Und jetzt sind sie weg.«
Corbett rieb sich die Wange. Er war froh, daß seine Theorie sich als richtig erwiesen hatte. Aber zwei Probleme bestanden immer noch. Erstens: der Dieb. Er zweifelte nicht daran, daß es sich um Puddlicott handelte, aber wo zum Teufel steckte der Mann? Und, was noch wichtiger war, wo lagerte die ergaunerte Beute? Corbett knetete seine Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger. Zweitens: Zwar war das Doppelleben der Mönche ans Tageslicht gebracht worden, aber er hatte immer noch keine Beweise für eine Verbindung zwischen ihnen und den Morden. Nichts außer dem Gekritzel einer alten Frau und dem Augenzeugenbericht eines Betteljungen und einer gemeinen Dirne. Seufzend schaute Corbett zum blauen Himmel hinauf.
»Und da ist noch ein Problem«, brummte er. »Wer sagt es dem König...? Wir haben hier getan, was wir konnten«, fuhr er mit lauter Stimme fort. »Master Cade, Ihr nehmt Euch die Bogenschützen und sichert die Schatzkammer. Setzt den Stein wieder ein, holt Maurer und Zimmerleute aus der Stadt und tut, was Ihr könnt. Master Limmer, Ihr müßt das Gesetz ausnahmsweise vergessen. Unsere drei Gefangenen sollen in den Tower gebracht und dort hochnotpeinlich befragt werden, bis die ganze Geschichte bekannt ist.«
Der Soldat sah nervös, wo er da hineingeraten war; er spuckte aus und schüttelte den Kopf.
»Sir Hugh, zwei von denen sind Priester.«
»Und wenn sie Bischöfe wären, das kümmert mich einen Dreck!« knurrte Corbett. »Nehmt sie mit und tut, was Ihr müßt. Hier geht es um Hochverrat, Mann. Sie haben den Kronschatz beraubt. Ihr hättet bald genug auch etwas dagegen, wenn der König Euch Euren Sold nicht mehr bezahlen könnte.«
»Woher wissen wir denn, daß sie etwas damit zu tun hatten?« fragte Cade.
»Oh, das werdet Ihr schon noch herausfinden«, sagte Corbett. »Master William vielleicht, Bruder Richard womöglich, aber Adam von Warfield ganz bestimmt. Dessen Zelle, schlage ich vor, solltet Ihr auch durchsuchen. Sicher findet Ihr da mehr als nur ein Paar kostbare Reitstiefel.« Corbett klatschte in die Hände. »Jetzt kommt; wir haben noch mehr zu tun.« Limmer und Cade eilten davon. Corbett schlug Maltote auf den Rücken, und der junge Kurier, der mit offenem Mund das Loch im Boden anstarrte, fuhr zusammen und blinzelte. »Ja, Master?«
»Nimm dir zwei Pferde, Maltote. Die schnellsten, die wir haben. Du mußt nach Winchester reiten
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