Der Kartograph
standhaft weigerte, mit den Besuchern über seine Karte zu sprechen. Das schürte die Gerüchte um ihre Entstehung noch mehr, was Gauthier Lud sehr bedenklich fand, auch wenn er zugeben musste, dass es dem Geschäft durchaus nicht schadete.
Die Frauen von Saint-Dié schüttelten die Köpfe. Was hatten die Leute nur mit dieser neuen Welt? Es gab hier in der «alten» noch genügend zu erkunden, noch genügend zu verbessern. Die Frauen von Saint-Dié waren praktisch veranlagt. Sie hatten schon zu viele Geschichten von irgendwelchen irdischen Paradiesen gehört, um noch daran zu glauben. Vielleicht gab es den Garten Eden ja im Himmel, aber gewiss nicht auf dieser Erde.
Die Männer hatten wenig Zeit darüber nachzudenken, sie mussten die Felder bestellen oder arbeiteten in den Silber- und Bleiminen. Besonders die Arbeit dort trieb einem Mann die Träume aus. Manchmal saßen sie aber dennoch nach dem Gottesdienst in der Schenke von Saint-Dié zusammen und bekamen leuchtende Augen, wenn wieder einmal ein Trupp Besucher vorbei ritt, Menschen, die wichtig aussahen. Vielleicht war es aber auch irgend so ein Gelehrter, der sich mit dem seltsamen Kauz austauschen wollte, der die Karte mit dem Namen America in Holz geschnitzt hatte. Nur wenige der einfachen Menschen in Saint-Dié hatten das Werk gesehen. Doch diese wenigen schwärmten davon.
An diesem Punkt seufzten die Männer und der Glanz aus ihren Augen verschwand. Träume machten nicht satt, sondern hungrig. Nach Abenteuern, fremden Paradiesen, nackten, willigen Frauen. Doch daheim warteten die eigenen Frauen, die eigenen Kinder, die Nahrung brauchten.
An diesem Tag ritten jedoch keine Gelehrten durch die Stadt.
Vor dem großen Tor zum Stiftsgelände stieg wie schon einmal eine verschleierte Frau in Schwarz von ihrem Zelter. Der Dienstmann in ihrer Begleitung half ihr dabei. Ihr schwarzer Umhang blähte sich beim Absteigen im Wind wie die Flügel einer Rabenkrähe. Auf dem dritten Pferd saß eine ältere Frau mit missmutigem Gesicht.
Die Verschleierte klopfte an die Pforte und verlangte, zu Martin Waldseemüller geführt zu werden. Der Pförtner hatte inzwischen genug von diesen Anfragen, von denen er wusste, dass sie vergeblich sein würden.
«Er spricht mit niemandem», erklärte er mürrisch und knallte die Tür wieder zu.
Doch die Frau im schwarzen Gewand erwies sich als hartnäckig. Sie ließ sich auch von dem Geräusch nicht abhalten, das darauf hindeutete, dass innen der Riegel vorgeschoben wurde. Sie klopfte weiter. Als sich daraufhin nichts rührte, hob sie einen Stein vom Boden auf und hämmerte damit gegen das Holz.
Wieder erschien das mürrische Gesicht des Pförtners im Türspalt, inzwischen waren die Augenbrauen drohend zusammengezogen.
Dem Mann war egal, dass diese Frau offenbar aus besseren Verhältnissen stammte, zumindest war sie keine einfache Bäuerin, sondern ihrer Kleidung nach wohl eher aus der Stadt. Er hatte schon ganz andere abgewiesen.
«Tollt Euch, Weib», erklärte er grob. «Magister Waldseemüller ist für niemanden zu sprechen.» Mit diesen Worten wollte er die Pforte erneut zuknallen.
Doch die Fremde schob den Fuß dazwischen. Der Pförtner war völlig verblüfft ob dieser Unverschämtheit.
«Er wird mit mir sprechen», erklärte sie energisch. «Sagt ihm, Marie Grüninger bringt Nachrichten von Matthias Ringmann. Schlimme Nachrichten. Richtet ihm das aus. Oder Ihr werdet es bereuen.»
Etwas in der Stimme dieser Frau ließ den Pförtner stutzen. «Wartet hier», knurrte er, schlug die Türe zu und schlurfte los. Er war sich fast sicher, dass er wieder einen vergeblichen Gang tun würde.
Da stieß er auf Nicolas Lud und erzählte ihm von der schwarzverschleierten Fremden, froh, die Verantwortung an ihn abgeben zu können. Sollte Lud sich doch mit diesem Waldseemüller auseinander setzen und sich die Abfuhr holen. Im Nachhinein fand er, dass der Blick, mit dem der junge Lud diese Nachricht entgegengenommen hatte, sehr eigenartig gewesen war.
Nicolas Lud ließ diese Frau nur sehr ungern herein. Er wusste, sie würde alte Wunden aufreißen. Doch sie brachte Neuigkeiten von Ringmann, dessen Ankunft insbesondere sein Onkel entgegenfieberte, nachdem die griechische Handschrift des Ptolemäus nun endlich in Reichweite war. Er hatte schon mit der Übersetzung begonnen, doch sein Griechisch war nicht gut genug. Mit Ringmanns baldiger Ankunft hatte die Nachricht, die Marie Grüninger brachte, jedoch wenig zu tun, fürchtete Nicolas Lud, nachdem der
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