Der Kartograph
sogar die Aussicht, dem großen Seefahrer
selbst zu begegnen. Er soll sich zur selben Zeit wie ich in Florenz
aufhalten.»
In Martin Waldseemüllers Augen kehrte das Leuchten zurück. Er
sprang auf und umarmte den Freund. «So gute Nachrichten! Ihr
macht mir das Herz wieder leicht, das aufgrund Eurer nahenden Abreise
schon schwer geworden ist!» Dann zögerte er. «Aber ich
kann Euch die Kosten erst später erstatten, wenn die Karte
veröffentlicht worden ist.»
Nicht nur in Waldseemüllers Augen glomm der Funke. Jean
Grüningers untrüglicher Instinkt witterte sofort ein gutes
Geschäft. Er sah sich schon in Verhandlungen mit dem reichen
Florentiner Bankhaus der Medici. Oder mit Piero Soderini. Am besten mit
beiden. Er strahlte.
«Macht Euch darüber keine Sorgen, Magister. Gegen das
Versprechen, dass Ihr mir Eure Karte zum Erstdruck überlasst, bin
ich bereit, die Summe vorzustrecken. Ihr werdet jede Gelegenheit haben,
sie in meinem Gravur-Atelier abzuarbeiten. Hans Baldung Grien freut
sich schon darauf, mit Euch zusammen zu arbeiten, ebenso der
Wächteling.»
Martin Waldseemüller war so glücklich, dass er fast den
Überfall und die dröhnenden Schmerzen im Kopf vergessen
hätte. Endlich, endlich kam er dem großen Werk ein
Stück näher. Bald konnte er sich anhand Vespuccis eigener
Worte davon überzeugen, dass er mit seinen Berechnungen richtig
lag. Der große Seefahrer musste doch gewusst haben, dass er auf
einen neuen Erdteil gestoßen war. Es konnte nicht anders
möglich sein. Angesichts dieser Aussichten waren seine Bedenken
bezüglich der Versprechen wie weggewischt. Er strahlte und wirkte
dabei wie ein Junge, der auszieht, ein aufregendes Abenteuer zu
erleben. Grüninger, Philesius und Ilacomylus lächelten sich
zu wie Verschwörer, die sich des Erfolges ihrer Mission sicher
sind.
Sie lächelten nicht lange. Denn als sie die Dachkammer betraten,
in der Waldseemüller und Ringmann gemeinsam hausten, bot sich
ihnen ein ähnliches Bild wie damals in Basel. Jemand hatte das
Unterste zuoberst gekehrt.
«Das wird langsam wirklich lästig», stellte Ringmann
trocken fest. Fast hätte Waldseemüller lachen müssen. In
diesem Moment war er dankbar, dass der Straßburger Drucker ihn zu
sich in sein Haus eingeladen hatte. Ob Grüninger ihn wirklich
würde schützen können? Sicher war er sich nicht.
5.
Contessina de’ Medici betrachtete versonnen ihr schmales rechtes Handgelenk. Der mit Blumenmustern und Girlanden durchwebte, orangefarbene Brokat ihres Mieders fühlte sich steif an. Es war lange her, dass sie ein solch wertvolles Kleid getragen hatte. Sie saß aufrecht auf einem wertvoll geschnitzten Stuhl. Dem Betrachter bot sich das Bild einer aufmerksamen Gastgeberin, die mit einem schon fast scheuen Lächeln darauf achtete, dass es ihren Gästen an nichts fehlte. Ihr schmales Gesicht gab keinen ihrer Gedanken preis. Sie nickte einem Herrn huldvoll zu, dann wieder machte sie einer Dame an ihrer Seite ein Kompliment.
Sie war bestens geschult in dieser Art der Selbstbeherrschung. Seit damals, als Lorenzo der Prächtige noch gelebt, als ihr Vater uneingeschränkt wie ein König in Florenz geherrscht hatte, als die Welt für die kleine Contessina ein einziges rauschendes Fest zu sein schien. Damals, als sie die ersten Skulpturen von Michelangelo gesehen und mit seiner Hilfe die Schönheit entdeckt hatte. Damals. Dieses wunderbare, dieses beschwingte Damals, als die Welt noch klar und sicher gewesen war.
Doch dann war dieser geifernde Mönch Savonarola in ihr Leben eingebrochen, hatte das Volk gegen ihren Vater Lorenzo und die Medici aufgehetzt. Dabei war dieser Eiferer überhaupt erst durch ihren Vater nach Florenz gekommen. Sie hatte den Mönch vom ersten Moment an verabscheut, als sie ihm vorgestellt worden war. Mit seiner riesigen Hakennase und dem düsteren Gewand wirkte er wie ein Geier, der sich gleich auf seine Beute stürzen würde. Nun, das hatte er auch getan. Diese Schlottergestalt hatte mit ihren Hasstiraden gegen den Adel und den Klerus alle Leichtigkeit gemeuchelt, alle Schönheit getötet.
Doch auch Girolamo Savonarola war nun schon mehr als zehn Jahre tot. Erst hatte man den Dominikanermönch zusammen mit zwei Freunden gehängt. Danach war sein Leichnam noch verbrannt worden. Sie liebte diese widerwärtigen Hinrichtungsspektakel nicht. In diesem Fall aber hatte sie mit Vergnügen zugeschaut. Manchmal gab es doch so etwas wie eine himmlische Gerechtigkeit.
Ja, damals. Bevor Lorenzos ältester
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